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Josephine Thyrêt und Alexander King nach der Wahl zur Doppelspitze des neu gegründeten Berliner Landesverbands des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW).

© dpa/Annette Riedl

Das Wagenknecht-Bündnis in Berlin: Viel Euphorie – wenig Programm

Das BSW steht in Umfragen gut da, hat landespolitisch aber kaum etwas zu bieten. Will die Partei erfolgreich sein, muss sie das ändern. Ein Kommentar.

Stand:

Aus Sicht der Verantwortlichen im Berliner Ableger des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hätte der Zeitpunkt nicht besser gewählt sein können: Einen Tag, nachdem das Meinungsforschungsinstitut Insa das BSW in Berlin auf 12 Prozent taxiert hatte, trafen sich die 81 Mitglieder des Mini-Verbandes zur Gründungsversammlung im „Theater Ost“.

Drei Prozentpunkte mehr als bei der Europawahl Anfang Juni hätte das Bündnis Insa zufolge geholt, wenn am Sonntag das Berliner Abgeordnetenhaus gewählt worden wäre. Aus dem Stand wäre das BSW damit deutlich an der heftig kriselnden Linkspartei vorbeigezogen. Selbst die Grünen wären in Schlagdistanz.

Tendenziell übermütig

Alexander King, seit Sonntag gemeinsam mit Josephine Thyrêt Vorsitzender des Berliner BSW-Verbands, trug es angesichts dessen wenige Minuten nach seiner Wahl regelrecht davon. Von einem „historischen Tag“ sprach King und prognostizierte: „Ohne das BSW wird es schwierig, in Berlin eine Regierung zu bilden.“ Am Tag der Parteigründung eine mindestens selbstbewusste, eher aber übermutige These. Der mit deutlich besserem Ergebnis gewählten Thyrêt schienen die Aussagen Kings jedenfalls nicht ganz geheuer. Sie kündigte an, beide würden sich in Zukunft besser abstimmen.

Klar ist: Vor den nicht zu Unrecht mit Zuversicht ausgestatteten Verantwortlichen des BSW liegt viel Arbeit. Personell – beide halten daran fest, Neumitglieder vor deren Eindruck persönlich auf Eignung zu testen – vor allem aber inhaltlich. Denn: Landespolitisch hat das BSW bislang programmatisch so gut wie nichts anzubieten.

Berlin-politisch mager

Über die von beiden als wichtigstes Thema bezeichnete Friedenspolitik wird zwar (auch) in Berlin entschieden, allerdings weder im Abgeordnetenhaus noch im Roten Rathaus. Am vom BSW geforderten Mietendeckel hat sich die Berliner Politik bereits schmerzhaft verhoben. Die von der gelernten Krankenschwester und Vivantes-Betriebsrätin Thyrêt scharf kritisierte Krankenhausreform ist genau wie die Migrationspolitik Ergebnis der Ampelpolitik, an der sich das BSW verbal abarbeitet. Kritik an der schwarz-roten Koalition in Berlin gab es am Sonntag kaum.

Spannung verspricht die Ankündigung Thyrêts, das BSW-Programm gemeinsam mit den Wählern entwickeln zu wollen. „Wir wollen keine Politik machen, die wir aus Büchern holen“, sagte Thyrêt am Sonntag und kündigte an, diejenigen vertreten zu wollen, die sich von den übrigen Parteien nicht mehr repräsentiert fühlen. Den Vorwurf des Populismus wiesen sie und King zurück.

Ob und wenn ja, wie beides zusammengeht, werden die kommenden Monate zeigen. Dass das BSW auch in Berlin in der Lage ist, ein relevantes Wählerpotenzial zu binden, hat die Europawahl bewiesen. Ob das Europa-Ergebnis von 8,7 Prozent tatsächlich als „Maßstab“ für kommende Wahlen dient, wie King zuletzt erklärte, bleibt - bei aller BSW-internen Euphorie - abzuwarten.

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