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Berlin: Denkmalstiftung gegen mehr Kontrolle

Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde hält „buntes Treiben“ am Mahnmal für ein Zeichen der Akzeptanz

Die Besucher turnen auf den Stelen, picknicken und fahren mit dem Rad durch die Welle – für die Denkmalstiftung kein Anlass für zusätzliche Maßnahmen. „In dem Feld kann sich jeder nach seinen Gefühlen verhalten, es sei denn, er stört jemanden“, sagt Hans-Erhard Haverkampf, der Geschäftsführer der Denkmalstiftung. Man werde die Anzahl der Aufsichtspersonen nicht erhöhen, zurzeit sind es zwei Sicherheitsleute. Zum einen gebe es nicht mehr Geld, zum anderen müsse das Denkmal auch ohne hohen Sicherheitsaufwand funktionieren. Haverkampf fürchtet allerdings, dass sich die Stelenspringer verletzen könnten. Dafür übernehme die Stiftung keine Verantwortung.

„Die Leute nehmen das Stelenfeld nur als Event wahr“, sagt Paul Spiegel. Ob sie es auch als Ort der Erinnerung an die Ermordung der Juden betrachten, müsse sich noch zeigen, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden. Er sieht seine Befürchtungen bestätigt, dass die Leute zu respektlos mit dem Mahnmal umgehen. Ohne den Ort der Information würde es deshalb seinen Sinn verfehlen. Spiegel bezweifelt allerdings, dass alle Leute, die auf den Stelen herumturnen, auch in die Ausstellung gehen. Gleichzeitig warnt er vor einer erneuten Debatte über die Form des Denkmals. Seiner Meinung nach könnte man überlegen, nachträglich eine große Tafel am Rand des Feldes anzubringen, die über den Sinn des Ganzen aufkläre.

„Man kann viele kleine Hebel ansetzen, um die Würde des Denkmals zu wahren“, meint Isaak Behar, der Gemeindeälteste der Jüdischen Gemeinde Berlin. Als einziger seiner Familie hat er den Holocaust überlebt. Er selbst habe zwar keine sentimentalen Gefühle, wenn er durch das Denkmal laufe, aber es gebe Leute, die sehr betroffen seien. Um sie vor allzu buntem Treiben zu schützen, schlägt Behar vor, zumindest temporär mehr Sicherheitskräfte einzusetzen. Außerdem müssten Lehrer und Eltern Jugendliche besser auf den Besuch vorbereiten.

Von einem Zaun hält er aber genauso wenig wie Albert Meyer, der Vorsitzender der Berliner Jüdischen Gemeinde. Meyer war immer gegen das Denkmal, weil er fürchtete, es werde nicht von der Bevölkerung angenommen. „Jetzt sehe ich, dass es sehr wohl angenommen wird. Zur Akzeptanz des Mahnmals gehört auch das bunte Treiben.“ Das „pulsierende Leben“ sollte man seiner Meinung nach nicht einschränken.

Wenn die Leute jetzt, am Anfang auf den Stelen springen, picknicken, ihre Hunde mitbringen, habe ich nichts dagegen“, sagt auch Lothar C. Poll vom Förderverein des Denkmals. „Für mich ist das ein Gebrauchsgegenstand.“ Mahnmals-Architekt Peter Eisenman ist begeistert, dass so viel Leben auf dem Stelenfeld ist. Die Mitarbeiter der Denkmalstiftung halten ihn auf dem Laufenden. „Die Leute sitzen, stehen, springen auf allen Mahnmalen dieser Welt. Das ist doch ein Zeichen dafür, dass sie gerne dort sind. Das ist gut.“ Er regt aber an, wie in Kirchen bestimmte Zeiten der Stille und der Kontemplation einzurichten, an denen Störer außen vor gehalten werden.

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