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Berlin: Der Bus-Entführer war auf Bewährung frei

Geiselnehmer Dieter Wurm galt beim Arbeitgeber S-Bahn als „leuchtendes Beispiel gelungener Resozialisierung“

Der Bankräuber und Geiselnehmer Dieter Wurm war auf Bewährung aus der Haft entlassen. Das räumte ein Justizsprecher gestern ein – und korrigierte damit frühere Angaben. Zuvor hatte die Justiz behauptet, Wurm habe die gegen ihn verhängten Strafen verbüßt. Am 15. Januar 2001 war er aus Plötzensee entlassen worden. Die Reststrafe wurde bis November 2004 zur Bewährung ausgesetzt. Wurm galt sogar als „leuchtendes Beispiel gelungener Resozialisierung“, wie es bei der S-Bahn hieß, wo er im Freigang zum Fahrgastbetreuer ausgebildet worden war.

Der Mann, der am Freitag nach einem Banküberfall einen BVG-Bus kaperte und kreuz und quer durch die Stadt fahren ließ, war nacheinander zu mehreren Haftstrafen wegen Bankraubes verurteilt worden. Das letzte Urteil erging 1993, Wurm bekam viereinhalb Jahre Haft, die er auch vollständig verbüßte.

Allerdings gab es da noch Haftstrafen aus vorangegangenen Überfällen, die er noch nicht abgesessen hatte und die deshalb hinten angehängt wurden. Im Jahre 1988 nutzte er sogar einen eintägigen Freigang während einer sechseinhalbjährigen Haft für den nächsten Coup: Er überfiel mit Maschinenpistole bewaffnet eine Bank an der Schlosstraße in Steglitz. Am selben Tag war er damals wieder festgenommen worden.

Im November 2000 entschied das Gericht, die Reststrafe zur Bewährung auszusetzen. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass sich Wurm in den vergangenen neun Jahren nichts hatte zuschulden kommen lassen. In diesen Jahren saß er allerdings meist im Gefängnis. Seit Sommer 2000 war er dort Freigänger gewesen. Im August 2000 trat er eine ABM-Stelle bei der S-Bahn an, wo er zum Fahrgastbetreuer ausgebildet wurde, wie die S-Bahn gestern bestätigte. Das Arbeitsamt Nord hatte den Häftling dem S-Bahn-Sicherheitsdienst „IHS“ zugeteilt. Bis 30. Juni 2001 war Wurm in Uniform im Einsatz. Danach lief die ABM aus.

Wurm hatte den Probelauf bestanden. Wenige Monate nach Beginn der ABM-Stelle wurde er in die Freiheit entlassen – etwa ein Jahr vor dem Ende seiner Haftzeit. Bis November 2004 lief die Bewährungszeit. Gut zwei Jahre hielt er durch – bis er am vergangenen Freitag die spektakulärste Geiselnahme der vergangenen Jahre startete.

Seinen Komplizen hat der Geiselgangster bisher nicht verraten. „Da ist er völlig verstockt“, sagte ein Ermittler. Heute soll Wurm ins Haftkrankenhaus Moabit verlegt werden. Wie berichtet hatte er mit einem Kumpanen am Freitag um 9.40 Uhr wie schon vor 15 Jahren eine Bank in der Schloßstraße überfallen und 5000 Euro geraubt. Während der Komplize untertauchte, stieg der Bewaffnete in einen Bus der Linie 185 und entführte ihn, nachdem eine Polizistin auf der Suche nach den Räubern zugestiegen war und er dadurch die Nerven verlor. Um 14.16 Uhr stürmte eine Spezialeinheit den Bus. Wurm wurde durch Schüsse in die Schulter verletzt. Die Geiseln blieben unverletzt (Seite 10).

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