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Der Freund besteht darauf, zu zahlen: Aber er will nicht, dass ich mich revanchiere
Unsere Autorin erklärt, wie man mit komplizierten Situationen so umgeht, dass es keine Verstimmungen gibt. Diesmal: alte Freunde im Restaurant.
Stand:
Jean, eingeladen, fragt: Ein alter Schulfreund und ich, wir treffen uns alle ein bis zwei Jahre mit unseren Frauen zu einem kulturellen Ereignis mit anschließendem Essen. Die Freunde wohnen in Bayern und haben hin und wieder ein Familientreffen in Berlin. Nun bestand mein Freund stets mit Nachdruck auf die Begleichung der Rechnungen.
Einmal schenkte ich ihm als Dank für eine Einladung mit Übernachtung bei sich in Bayern einen Hotelgutschein. Entrüstet lehnte er die Annahme ab, wo man denn hinkomme, wenn man sich Gutscheine schenkt. Dabei zelebriert er selbst doch immer finanzielle Großzügigkeit.
Elisabeth Binder antwortet: Compliance-Regeln lassen sich nicht ins Private übertragen
Ihre Geschichte erinnert mich an einen Freund, der bei mir zu Hause in der Elektronik etwas installierte, für das ein, wie ich fand, teures Zusatzteil gebraucht wurde. Das brachte er gleich mit und weigerte sich strikt, Geld dafür anzunehmen. „Das musst du jetzt aushalten“, sagte er grinsend. An diesen Satz muss ich immer dann denken, wenn mir jemand etwas Gutes tut, ohne dass ich mich angemessen revanchieren kann.
Mankos mit übertriebener Großzügigkeit kompensieren
Im Ausland macht man sich gern mal lustig über die deutsche Sitte, Rechnungen getrennt zu begleichen. Wenn der Kellner bei einer Gruppe von sechs Leuten für jeden Einzelnen den Betrag heraus friemeln muss, kann das schon komische Züge annehmen. Unter weltgewandten Freunden ist es inzwischen durchaus üblich, dass sie abwechselnd die gesamte Rechnung übernehmen, sodass am Ende Gerechtigkeit herrscht – auf eine unkomplizierte Art.
So wäre es Ihnen vermutlich am liebsten. Aber der alte Freund lässt es nicht zu. Das kann verschiedene Ursachen haben. Vielleicht muss er durch seine übertriebene Großzügigkeit ein Manko kompensieren, das Sie als solches noch gar nicht erkannt haben? Vielleicht ist es die Tatsache, dass er in Bayern wohnt und Sie in Berlin. Vielleicht ist Ihr Beruf interessanter, seiner dafür einträglicher. Vielleicht will er eine alte Schuld begleichen. Kann es sein, dass Sie ihn in der Schule haben abschreiben lassen?
Oder er ist deutlich wohlhabender als Sie und findet es deshalb nur gerecht, wenn er die Rechnungen begleicht. Sie könnten die Ablehnung des Gutscheins zum Anlass nehmen, ihm Ihr eigenes Unwohlsein über die Einseitigkeit beim Bezahlen mitzuteilen und auf mehr Gerechtigkeit pochen.
Angesichts der Reaktion auf den Gutschein ist es verständlich, wenn Ihnen unwohl dabei ist, dieses Thema nochmals anzusprechen. Nur Sie können ahnen, was in der Beziehung nicht in Ordnung ist. Denn ganz unbeschwert sind die Treffen offensichtlich nicht.
Andererseits müssen Compliance-Regeln, die im Beruf gelten, nicht notwendigerweise auch aufs Privatleben übertragen werden. Aber selbst wenn es dem Freund finanziell überhaupt nicht weh tut, Sie einzuladen, gibt es keinen guten Grund dabei zu bleiben, wenn Sie sich damit nicht wohlfühlen.
Wäre ihm der finanzielle Aufwand völlig egal, dann hätte er nicht empört auf den Gutschein reagiert, sondern ihn stillschweigend abgeheftet. Vielleicht will er sich Ihnen nur überlegen fühlen. Dann ist es an Ihnen zu entscheiden, ob Sie den Kontakt auf die bisherige Weise weiter fortsetzen wollen. Wenn ja, bleibt Ihnen wohl nicht anderes übrig, als die Großzügigkeit des Freundes einfach auszuhalten.
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