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Berlin: Der Geist von Radebeul

Nach der Fraktionsklausur in Sachsen sind Berlins Sozialdemokraten fest entschlossen, bis 2011 zu regieren

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Jetzt soll der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit auch noch die Wirtschaft lenken. „Gründen Sie doch ein Steering Commitee für Berlin, zusammen mit ein paar Querdenkern aus Wissenschaft, Forschung und Industrie“, hat ihn der Vorstandschef der Berlin-Chemie AG, Reinhard Uppenkamp, am Wochenende aufgefordert. Einmal im Monat eine Stunde; das würde für einen Runden Tisch reichen, der sich mit der Standortförderung für die Hauptstadt befassen soll. Wowereit ist nicht abgeneigt. Das ließ er während der Klausurtagung der SPD-Abgeordnetenhausfraktion in Radebeul erkennen. An dem kleinen, aber feinen Projekt wird schon länger gebastelt.

Der Berliner SPD tun solche Ratschläge, ausgesprochen von wichtigen Unternehmern auf ihrer Wochenendtagung, gut. Alle folgten sie dem Ruf der Sozialdemokraten: die Bahn- und Flughafenmanager, Minister, Wirtschaftsforscher und Bankdirektoren. Sie fanden im Steigenberger Hotel bei Dresden eine aufgeräumte, fast fröhliche und sehr selbstbewusste Regierungspartei vor. Der Fraktions- und Landeschef Michael Müller gab gleich am Freitag zur Eröffnung der Klausursitzung die Siegesparole aus. 2004 sei für die SPD zwar ein „turbulentes und schweres Jahr“ gewesen, aber die Ergebnisse der Regierungsarbeit könnten sich sehen lassen, „und in diesem Jahr geht es darum, uns für den Wahlkampf zu positionieren“ – um dann 2006 „für unsere Arbeit belohnt zu werden“. Die mit Abstand stärkste Parlamentsfraktion wolle die SPD nach der Wahl im Herbst 2006 sein.

Gestern Vormittag saß die Fraktion noch einmal zwei Stunden zusammen, um zum Beispiel über Islamismus in Berlin und den Zwischenstand beim Tempodrom-Untersuchungsausschuss zu sprechen. Große Konflikte, wie auf vergangenen Klausurtagungen, waren nicht auszumachen. Geschäftsmäßig wurden Probleme abgearbeitet, und am Rande der Tagung mussten sowohl Wowereit wie auch Müller aufkommende Euphorie ein wenig dämpfen. Noch sei die Wahl nicht gewonnen. Die guten Meinungsumfragen „können sich schnell wieder ändern“, mahnte Wowereit. Und für Koalitionsaussagen sei es „viel zu früh“, wehrte Müller die Fragen von Journalisten ab.

Aber so ganz nebenbei sagte er in diesen Tagen auch: Im Wahlkampf werde die SPD/PDS-Koalition natürlich wieder „als Rot-Rot“ antreten. Ein bisschen Profilierung gegeneinander müsse sein, das werde 2006 auch kommen. Aber in diesem Jahr wollen beide Regierungsfraktionen noch in großer Eintracht den Rest der Koalitionsvereinbarung abspulen. Die Fachleute machen schon Listen. In der Innen- und Justizpolitik, sagte ein SPD-Abgeordneter am Rand der Klausur, habe man bereits 80 bis 90 Prozent abgehakt. Die Zusammenarbeit mit der PDS sei „hervorragend“, lobte der SPD-Fraktionschef die Genossen um Harald Wolf und Stefan Liebich immer wieder.

Abends, an der Bar, als über künftige Koalitionen in Berlin spekuliert wurde, hörte man unisono: Wir wollen Rot-Rot bis 2011. Rot-Grün, das wäre viel problematischer. Und Rot-Rot-Grün wäre „sehr, sehr schwierig“. Aber regieren wollen die Sozialdemokraten in jedem Fall über 2006 hinaus. Über die CDU, sagte Müller, lohne es sich momentan nicht zu reden. Die SPD-Spitze rechnet inzwischen fest damit, dass der CDU-Landeschef Joachim Zeller als Spitzenkandidat antritt. „Und je länger Zeller wartet, um seine Chancen für die Kandidatur intern zu erhöhen“, so frohlockte ein Genosse, „desto mehr ist er dann nur noch ein Übriggebliebener.“ Gestern schien die Sonne vom stahlblauen Winterhimmel auf Radebeul. Und auf die SPD-Fraktion aus Berlin; auch wenn sich einige Abgeordnete von der Weinprobe am Sonnabend noch nicht ganz erholt hatten.

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