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Der prominente Wochenrückblick : War Karl Lagerfeld am Ende doch nur Eurotrash?
In der vergangenen Woche endete in Paris eine historische Modewoche. Im weitesten Sinne involviert waren da auch einige Berliner Namen: Shirin David und Iris Berben, zum Beispiel.
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Alles neu machte der Oktober: In der vergangenen Woche endete in Paris, nach Mailand, London und New York, der saisonale Modewochen-Marathon mit einem großen, farbenfrohen Urknall. Der französisch-belgische Modeschöpfer Matthieu Blazy hat die kreative Leitung des Luxuskonzerns Chanel übernommen und debütierte in dieser Funktion mit der traditionell letzten Präsentation der Pariser Fashion Week.
Nachdem der deutsche Designer Karl Lagerfeld im Jahr 2019 verstorben war, übernahm dessen rechte Hand Virginie Viard den Chefposten, konnte aber, da waren sich die meisten Kritiker einig, die Fußstapfen nicht füllen. Insofern war die Erwartung an Blazy, der sich zuvor insbesondere mit seiner Arbeit für das italienische Modehaus Bottega Veneta einen Namen gemacht hatte, besonders hoch.
So wie es aussieht, berechtigterweise. Tatsächlich hatte er sich direkt von Coco Chanel selbst inspirieren lassen, deren Entwürfe ab den 1910er Jahren auch dafür legendär waren, weil sie Frauen im wahrsten Sinne des Wortes des Korsetts befreiten.
Moderne Interpretationen der Wurzeln kreativer Gründer, scheint prinzipiell eine gute Idee – dazu aber später mehr. Blazy jedenfalls platzierte die seinen in eine Kulisse aus Planeten, um – so die Lesart – den universellen Anspruch seiner Arbeit zu unterstreichen.
Très unterhaltsam, bisschen passé
In diesem Sinne, herzlichen Glückwunsch, alles richtig gemacht. Wobei, so ganz zufrieden waren wenigstens einige Online-Beobachter nicht. In gewissen Kommentarspalten war zu lesen, dass eine Reminiszenz an seinen deutschen Vor-Vorgänger fehlte, schließlich war es Lagerfeld, der Chanel Anfang der 1980er Jahre aus der Versenkung holte, und spätestens in den 90ern zu dem machte, was es heute ist: eines der wertvollsten Modeunternehmen der Welt.
Nun, vielleicht hätten die Kritiker einfach mal auf den Soundtrack der Show hören sollen, der bestand nämlich zu einem Gutteil aus dem 90er Jahre Song „Rythm is a Dancer“ der deutschen Band „Snap!“. Man begibt sich auch hier ins Spekulative, aber Blazys Botschaft könnte gelautet haben: Letztendlich war Lagerfeld auch nur Eurotrash-Ikone, très unterhaltsam, legendär und inhaltlich dann doch ein bisschen passé. Rest weiterhin in Peace, Kaiser Karl.
Modelnde deutsche Schauspielerinnen
Ein gewisser modischer Patriotismus dürfte sich im Rückblick auf jene Saison übrigens auch jenseits von Lagerfeld eingestellt haben. Überraschend viele deutsche Promis waren in irgendeiner Weise Fashion-halber involviert. Schauspielerin Sandra Hüller durfte etwa in rustikaler Arbeiterinnenmontur die Show von Miu Miu eröffnen.

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Ihre Kollegin Iris Berben derweil lief einige Tage zuvor bereits zum vierten Mal für das Kosmetikunternehmen L’Oreal über einen gigantomanischen Laufsteg – in illustrer Gesellschaft mit Hollywoodgrößen wie Jane Fonda, Viola Davis oder Hellen Mirren. Außerdem: Heidi Klum war auch da.

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Das Model, das Anfang der Woche für Schlagzeilen sorgte, weil sie in Berlin einen Döner verzerrte, hatte allgemein recht viel zu tun: Sie durfte nämlich auch die Präsentation von Vivienne Westwood schließen und bei der Show des georgisch-deutschen Designers Guram Gvasalia, beziehungsweise dessen Label Vetements, in der ersten Reihe sitzen. Diese Ehre teilte sie sich mit unter anderem ihrem Schwager Bill Kaulitz, der Berliner Rapperin Shirin David oder der Berliner Künstlerin Ivana Vladislava.

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Dass die vergangenen Modewochen in Mailand und Paris von einigen als historisch betitelt wurden, hatte natürlich ganz andere Gründe: Noch nie kam es vor, dass so viele große Unternehmen zur gleichen Zeit mit einer neuen kreativen Spitze auffuhren.
Neben dem schon ausführlich erwähnten Blazy für Chanel, wurde vor allem die erste Damenkollektion des britischen Designers Jonathan Anderson für Dior, die ersten Entwürfe des italienischen Designers Dario Vitale für Versace, die erste Ready-to-Wear Linie von Glenn Martens für Maison Margiela (und so weiter) mit Spannung erwartet.
Alle bis zu diesem Punkt erwähnten Designer machten es ähnlich wie Blazy und besannen sich auf die Ursprünge ihrer jeweiligen neuen Arbeitergeber, beziehungsweise huldigten mit ihren Kollektionen, dem kreativen Geist der modischen Gründerväter. Außerdem, wohlgemerkt, die 80er sind zurück!
Um für entsprechenden Smalltalk vollumfänglich gewappnet zu sein, lohnt es sich außerdem zu wissen, dass weitere nennenswerte Premieren unter anderem die folgenden waren: Demna Gvasalia für Gucci, Louise Trotter für Bottega Veneta, Pierpaolo Piccioli für Balenciaga, Jack McCollough und Lazaro Hernandez für Loewe, Miguel Castro Freitas für Mugler und schlussendlich Haider Ackermann für Tom Ford. Bitteschön!
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