Berlinale-Kolumne „Im Film“: Die Berlinale lebt
Große Momente: Hillary Clinton wird mit Berliner Charme begrüßt und ein Kinderfilm überrascht mit starker Stille. Die Berlinale-Kolumne für den fünften Tag.
Plötzlich steht Hillary Clinton vor mir und fragt mich, was ich sie fragen will. Am roten Teppich vor dem Haus der Berliner Festspiele ist sie gerade berlinisch begrüßt worden: „Hillary to hell, ring the bell“, ruft ein Mann mit Zottelbart, und übertönt das Geschrei Dutzender Fotografen, die Stellungsanweisungen an die Fast-US-Präsidentin rufen.
Dann kommt noch eine BSR-Reinigungsmaschine angeknattert. Clinton, die in der US-Politik den Oscar für die beste Nebenrolle gewann und nun mit ihrer Lebensgeschichte im Kino groß rauskommen will, strafft ihr Lächeln für die Presse. Welchen Film sie zuletzt im Kino gesehen habe, will ich von ihr wissen.
Hillary Clinton überlegt kurz, dann weiß sie es: „Knives out“ – „That movie was fun!“ Der Untertitel der Komödie: Mord ist Familiensache.
Die stillen starken Sekunden
Wenn Stars aus ihrem Karossenleben steigen, erlebt die Berlinale blitzlichthelle Momente. Am schönsten aber sind die stillen starken Sekunden, mit denen keiner gerechnet hat.
Ich erlebte eine nach dem schönsten Film, den ich bisher gesehen habe: „Adern der Welt“ im Kinderprogramm. Er spielt in der malerischen Landschaft der mongolischen Nomadenvölker.
Hier muss sich der elfjährige Amra nach dem Tod seines Vaters früh für ein eigenes Leben entscheiden.
Jeder hat ein Leben, um ein gutes draus zu machen
Soll er Ziegen durch die Steppe treiben wie seine Mutter? Motoren reparieren wie sein Vater? Mit Glücksrittern in gefährlichen Erdlöchern nach Gold suchen? Oder allein auf sich gestellt singen bei „Mongolia’s Got Talent“?
Ein Lied über das Land der wandernden Nomadenzelte, das für die Schätze von wenigen zerschürft wird und in dem die Menschen seit Jahrhunderten sagen: „Wenn die letzte Ader Gold aus der Erde gezogen ist, zerfällt die Welt zu Staub“. Jeder hat ein Leben, um ein gutes draus zu machen.
Was würde man dafür opfern? Darüber nachzudenken, dafür ist Kino da.
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Amra heißt eigentlich Bat-Ireedui Batmunkh. Der junge Schauspieler wundert sich über Berlins hohe Häuser „und dass alle hier so nett sind“. Eigentlich will er mal Musiker werden, erzählt er und schreibt mir auf, wie sein traditionelles Saiteninstrument heißt: „Morin Khuur“. Nach dem Film steht er im Kino und fängt plötzlich an zu singen – mit heller Stimme und klaren Träumen von einem guten Leben. Applaus. Rührung. Stille. Die Berlinale lebt.
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