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Berlin: Die Ermittler sind führungslos

Nach dem Rücktritt des Staatsschutzchefs warnen die Grünen vor Sicherheitsvakuum

Von O. Diederichs,

B. Junge und W. Schmidt

Mit leicht stockender Stimme wandte sich Harald Chybiak früh am Montag an seine versammelten Kollegen. Was er ihnen in der morgendlichen Leitungsrunde im Landeskriminalamt zu verkünden hatte, schockte die Truppe: Die Führungscrew der Staatsschützer vernahm von ihrem Leiter, er werde von seinem Amt zurücktreten. Sofort. Sichtlich schwer fiel es ihm zu sagen, was er zu sagen hatte. Doch aus persönlichen Gründen stehe sein Entschluss fest.

Die Gefahr terroristischer Anschläge ist, vor einem möglichen Irak-Krieg, abermals gestiegen. Das Bundeskriminalamt hat gerade konstatiert, beim islamistischen Terrorismus an die Grenzen seiner Möglichkeiten zu stoßen und die Länder um Hilfe gebeten. Unabhängig davon erfuhren die Staatsschützer vor zehn Tagen, dass ihre Arbeit komplett umstrukturiert werden soll. Und jetzt ist der Staatsschutz, die für die Abwehr terroristischer Gefahr zuständige Abteilung im Landeskriminalamt (LKA), führungslos.

Der Innensenator sagte auf Nachfrage, der Rücktritt sei nur eine Personalie. Das habe „nichts mit der Strukturveränderung beim LKA zu tun“. Die Polizei versichert: „Es gibt keinen Verlust bei der Sicherheit.“ Polizeipräsident Dieter Glietsch wollte sich gestern zum Wechsel in der Führungsebene nicht äußern. Er war am Montag vom Entschluss Chybiaks überrascht worden. Dieser war erst im Oktober zum Leiter des Staatsschutzes ernannt worden. Früher war der 44-Jährige beim Staatsschutz Chef der Rechtsextremismusgruppe. Dann arbeitete er beim LKA im Bereich Organisierte Kriminalität.

Der Polizeiexperte der Grünen, Ex-Justizsenator Wolfgang Wieland, zeigt sich beunruhigt. Ohnehin machten sich die Staatsschutzexperten Sorgen, inwieweit der Apparat in der Lage sei, im Falle eines Irak-Kriegs Anschläge in Berlin zu verhindern. „Für die Bundeshauptstadt“, warnt Wieland, „ist der Rücktritt bei dieser Sicherheitslage kein gutes Zeichen.“

Chybiaks Kollegen halten zu ihrem Chef. Wenn er persönliche Gründe anführe, dann müsse man das akzeptieren. Doch neben jenen spielten wohl auch die Umstände des Amtes eine gewisse Rolle, vermutet man in der Polizei. Unruhe und Differenzen zumindest gebe es ausreichend.

Einen Teil dieser Unruhe hat die angekündigte Umstrukturierung ausgelöst. Im November noch hatte das BKA die Länderkriminalämter dringlich aufgefordert, ihre Struktur der Islamismusfahndung der des BKA anzupassen. Zur besseren Expertenzusammenarbeit. Der Umbau jetzt sieht indes in Teilbereichen das Gegenteil vor. Statt der bisherigen Expertengruppen für Links-, Rechts- und Ausländerextremismus soll es „Taskforces“ geben, die in jedem Gebiet eingesetzt werden können.

Kommissarisch übernimmt nun mit Volker Klemstein (53) ein in Staatschutzdelikten unerfahrener Mann das Amt. Klemstein war bisher in der Neuorganisation der Polizeiführungsstruktur tätig. Chybiaks Stelle muss neu ausgeschrieben werden. Er selbst aber will seinen Kollegen erhalten bleiben. Am Montag kündigte Chybiak an, nur ein Büro – in das des Vize – weiterziehen zu wollen. Denn der Vize-Posten ist derzeit nicht vergeben. Chybiak hatte beide Jobs in Personalunion erledigt.

O. Diederichs[B. Junge], W. Schmidt

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