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Eine junge Frau sitzt mit einem Kuscheltier im Arm in einem Raum.

© dpa/Jan Woitas

„Die ganze Familie ist zerstört“: Mann missbraucht in Berlin über 20 Jahre seine Stiefenkelinnen

Der Angeklagte soll manipulativ vorgegangen sein und sich einen familiären Rahmen geschaffen haben, um seiner pädophilen Neigung nachzugehen. Als 73-Jähriger wurde er nun verurteilt.

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Als er heiratete, hatte er bereits einen Blick auf die Enkelkinder seiner Frau: Wolfgang P. ging vorsichtig und manipulativ vor, er baute Vertrauen auf. Die kleinen Mädchen gingen gern zu den Großeltern.

Doch P. führte ein Doppelleben: der nette Opa einerseits, der Missbrauchstäter andererseits. Über zwanzig Jahre blieb er unentdeckt. Das Urteil des Berliner Landgerichts fiel deutlich aus. Zehn Jahre Haft ergingen gegen den 73-Jährigen.

Für 74 Taten wurde Wolfgang P. verurteilt – schuldig des schweren sexuellen Missbrauchs, des Missbrauchs von Schutzbefohlenen sowie des Missbrauchs von Widerstandsunfähigen. Übergriffe, die er minutiös notiert hatte – unter dem Titel „Meine Geschichte“.

Der Angeklagte habe sich einen familiären Rahmen geschaffen, um seine pädophile Neigung ausleben zu können. Er habe seine Umwelt getäuscht und sich vorgemacht, „es sei nicht so schlimm, die Kinder würden es wollen“, sagte der Vorsitzende Richter. Er habe Vertrauen ausgenutzt. Bis heute würden sich zwei der Opfer in einer Therapie befinden.

70.000
Euro und 50.000 Euro soll der Verurteilte an zwei Opfer zahlen.

„Die ganze Familie ist zerstört“, so Richter Ralf Vogl. Das Leiden der Opfer, die Eltern, die sich Vorwürfe machen, dass sie ihre Kinder nicht beschützt haben. „Es ist alles hochdramatisch.“ Wolfgang P. habe mit seinem Geständnis den Kindern zumindest eine Aussage im Prozess erspart. Das sei im Urteil strafmildernd berücksichtigt worden. Ebenso wie ein Vergleich – an zwei Opfer wird er 70.000 Euro beziehungsweise 50.000 Euro zahlen.

Wolfgang P. befindet sich seit Februar in Untersuchungshaft. Ein gelernter Elektriker ohne Vorstrafen. Er heiratete 1999 eine zweifache Mutter von einem Sohn und einer Tochter, die damals bereits erwachsen waren. Es gab schon zwei Enkelinnen. Das sei dem Angeklagten bewusst gewesen, so das Gericht. Wie auch seine pädophile Neigung. 1998 habe er begonnen, sich Kinderpornografie zu beschaffen und auf seinem Computer zu speichern.

Kinder berichten beiläufig, Opa würde sie im Intimbereich anfassen

Ab den frühen Nullerjahren kam es laut Ermittlungen immer wieder zu Übergriffen auf seine Stiefenkelinnen. Wenn er mit ihnen spielte, sie duschte, zu Bett brachte. Erst die Kinder der Tochter seiner Frau, dann die drei Mädchen ihres Sohnes. Er habe sich „genähert, Grenzen ausgetestet und immer weiter ausgedehnt“, hieß es weiter im Urteil. Bis das Gebilde zusammenbrach.

Der 44-jährige Sohn der Ehefrau des Angeklagten hatte schließlich mit einer Strafanzeige die Ermittlungen ins Rollen gebracht – nach Bemerkungen zwei seiner Töchter. Die Kinder hätten eher beiläufig berichtet, Opa würde sie im Intimbereich anfassen, er habe gesagt, das sei „normal, das macht jeder“, schilderte der Vater von drei der betroffenen Mädchen. Er sei entsetzt gewesen. „P. war nett, freundlich, hilfsbereit – nie hätte jemand an so etwas gedacht, man hatte Vertrauen.“ Zum Stiefvater und auch zur Mutter haben die Eltern der Mädchen den Kontakt abgebrochen.

1100
kinderpornografische Bilder und rund 120 verbotene Videos wurden bei dem Angeklagten gefunden.

Der Mann mit grauem Zopf hatte im Prozess gestanden – auf Antrag seines Verteidigers unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Bei einer Durchsuchung der Zehlendorfer Wohnung von P. im April 2023 waren mehr als 1100 kinderpornografische Bilder und rund 120 verbotene Videos entdeckt worden. Und die Notizen unter dem Titel „Meine Geschichte“.

Die Staatsanwältin hatte 13 Jahre Haft gefordert. Zudem beantragte die Anklagevertreterin vorbehaltene Sicherungsverwahrung. Das Gericht sah von Anordnung einer solchen Maßregel jedoch ab. Einem Sachverständigen zufolge werde der Angeklagte nach Haftentlassung keine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen, so der Richter. Eine solche Gefährlichkeit wäre jedoch Voraussetzung für die Anordnung von anschließender Sicherungsverwahrung.

P. habe ausschließlich in einem engen familiären Rahmen agiert, so das Gericht. Es habe zwischendurch auch Pausen von bis zu fünf Jahren gegeben. „Er hat in diesen Zeiten keinen Kontakt zu fremden Kindern gesucht“. Das Gericht nehme dem Angeklagten auch die geäußerte Reue ab. Im Strafvollzug müsse nun eine Therapie stattfinden. Der Verteidiger, der keinen konkreten Strafantrag gestellt hatte, will Revision prüfen. 

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