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Berlin: Die geteilte Stadt

Berlins Austritt aus dem Arbeitgeberverband hat kuriose Folgen

Nach dem seit gestern wirksamen Austritt des Landes Berlin aus den öffentlichen Arbeitgeberverbänden haben die Gewerkschaften Verdi, GEW und GdP den Senat für den Freitag zu Verhandlungen über einen so genannten Anwendungstarifvertrag aufgefordert. Dieser soll nach dem Willen der Gewerkschaften sicherstellen, dass sämtliche bundesweiten Regelungen – auch die in der derzeitigen Tarifrunde noch zu vereinbarenden Lohnsteigerungen – künftig in Berlin gelten. Da er aber genau dieses mit dem Verbandsaustritt verhindern wollte, wird Innensenator Ehrhart Körting (SPD) auf dieses Angebot kaum eingehen wollen.

Der Innensenator will stattdessen einen eigenen Vorschlag auf den Tisch legen. Der von den Gewerkschaften gewünschte Gesprächstermin sei allerdings zu kurzfristig und nicht einzuhalten, sagte Körtings Sprecherin Henrike Morgenstern. Der Senator wolle Ende nächster Woche die Gespräche über die Tarife der rund 70 000 Arbeiter und Angestellten aufnehmen, die direkt beim Land oder bei den so genannten nachgeordneten Einrichtungen wie Kitas, Polizei, Feuerwehr oder Landeseinwohneramt beschäftigt sind. Viel Zeit wollen die Gewerkschaften dem Innensenator aber nicht geben. Wenn das Gespräch an diesem Freitag nicht zustande kommt, wollen sie nach Auskunft von Verdi-Grundsatzreferent Burkardt Thiemann noch zu einem zweiten Termin einladen. Bleibt auch dieser aus ihrer Sicht ergebnislos, wollen sie direkt zu einer Urabstimmung über einen Streik aufrufen.

Von den direkten Verhandlung zwischen Senat und den Berliner Gewerkschaften sind die Beschäftigten von BVG, BSR, Wasserbetrieben, Berliner Bäder-Betrieben, den Wohnungsbaugesellschaften, Universitäten und anderen öffentlichen Unternehmen nicht betroffen. Diese Einrichtungen, die den öffentlichen Arbeitgeberverbänden angehören, bleiben an die bundesweit geltenden Tarife gebunden. Busfahrer und Müllmänner werden also auf jeden Fall die Einkommenssteigerungen dieser Tarifrunde erhalten, während die Beschäftigten in den Landesverwaltungen, Erzieherinnen oder Angestellte bei der Polizei außen vor bleiben. Die Anpassung der Beamtenbesoldung will der Senat ohnehin durch seine Bundesratsinitiatve aussetzen.

Ursprünglich hatte der Senat den Verbandsaustritt satzungsgemäß zum 1. Februar erklärt, hätte dann jedoch vor diesem Termin vereinbarte Tarifsteigerungen zahlen müssen. Durch den sofortigen Austritt ist der Senat nach Auffassung des Innensenators nicht mehr dazu verpflichtet.

Die Gewerkschaften sehen dies anders. „Der Verbandsaustritt ist satzungswidrig und nur durch Rechtsbeugung zustande gekommen“, sagt Verdi-Mann Thiemann. Dennoch könne man nicht dagegen klagen, da man kein Verbandsmitglied und deswegen nicht selbst betroffen sei. Lediglich andere Mitglieder der Verbände, des kommunalen Arbeitgeberverbandes (KAV) und der Vereinigung der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes (VAdöD), könnten dagegen klagen. Beim KAV wollte man dem Land Berlin nicht im Wege stehen. „Wir gehen von der Eigenverantwortlichkeit unserer Mitglieder aus“, sagt Verbands-Geschäftsführerin Claudia Pfeiffer. Bislang hätten die anderen öffentlichen Unternehmen noch nicht angekündigt, ebenfalls den Verband zu verlassen.

Verdi und die anderen Gewerkschaften prüfen unterdessen, wie sie weiter vorgehen werden, wenn die Berliner Beschäftigten trotz eines bundesweiten Abschlusses künftig keine Lohnerhöhungen erhalten werden. Es werde dann bestimmt Musterklagen von einzelnen Beschäftigten geben, hieß es bei Verdi. „So lange es nur die leiseste Hoffnung auf Erfolg gibt, gehen wir vor Gericht.“

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