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Die IFA 2015 in Berlin.

© AFP

IFA 2015: Die Messebesucher sind noch analog

Displays, die die Welt verändern, und Backöfen, die alles über Pizza wissen:  Ein Kurzrundgang über die IFA am Funkturm.

Anzug, Schlips, Kragen, Rollkoffer – das ist die Uniform des ersten Tages der Funkausstellung. Die dunklen Männer, viele von ihnen Asiaten, entern das Gelände, spursicher und zielbewusst. Nur sie allein verstehen noch ganz und gar, worum es hier geht, sie sammeln sich im City Cube, um den Ausführungen der allwissenden „Keynote Speaker“ zu folgen, die beispielsweise davon handeln, wie Displays unsere Welt verändern. Dann verteilen sie sich über die Messe, in die Parallelwelt der Fachbesucher-Zentren.

Draußen staunt derweil der Laie, der das Ganze ja am Ende durch lebhaften Konsum finanzieren soll. Der Ansatz ist klar: Überwältigt vom Anprall der Novitäten soll er nach Hause eilen und den Kram vom letzten Jahr in den Keller schleppen. Dessen Platz nimmt oben dann der große, gebogene Ultra-HD-Bildschirm ein, auf dem Bächlein so detailscharf plätschern, als stünde man mit den Füßen drin, auf dem unsere Kicker herumflitzen, dass man ihnen gleich den Ball zuwerfen will – falls denn mal jemand solche Programme auch sendet.

Kameras sind unersetzlich

Wenn wir einmal ganz weit von den Displays zurücktreten und nach dem Sinn all der technischen Neuerungen fragen, die uns diese Messe bietet, dann geht es vor allem darum, Zeit zu sparen, die uns dann am Ende für uns und unsere Lieben zur Verfügung steht. Gleichzeitig auf dem neuen Induktionsfeld leckere asiatische Pasta kochen, auf dem Display daneben den Lieblingsfilm sehen und das Foto vom Topf – die Kamera steckt in der Abzugshaube – gleich in die sozialen Netzwerke schicken. Die Geräte sind sowieso schlauer als wir, steht da: „Dank dem Barcode-Scanner müssen sie Ihrem Ofen nichts mehr über Pizza erzählen“.

Vor allem Kameras sind in dieser Welt unersetzlich, sie stecken auch im Kühlschrank und im Backofen, allzeit bereit, per Smartphone Auskunft zu geben über das, was drinnen vorgeht. „Ist es verrückt, dass unser Zuhause auf mich und meine Familie aufpasst?“ steht auf Tafeln, die junge, kräftige Männer durch die Halle tragen, und man ist durchaus geneigt, zu antworten: Ja, verrückt.

Laie kennt Nutzen der Geräte nicht

Der Traditionsbesucher, der auf der Ifa ja immer noch eine gewisse Rolle spielt, hat es schwer angesichts all der Änderungen. Zunächst wird er sich todsicher verirren, denn die Macher haben einen Slalom gesteckt, der in mancher Halle daran erinnert, wie der Ikea-Kunde noch an der letzten Bratpfanne vorbeigeführt wird, bevor er den Ausgang erreichen darf. Man läuft im Kreis, kehrt um, sieht manches dreimal, übersieht den Ausgang, landet auf der falschen Ebene – ein Komplettrundgang an einem Tag ist so gut wie unmöglich.

In den meisten Hallen wird der Laie weder die Aussteller noch den Nutzen der Geräte kennen, die sie dort, durchweg auf englisch, vorführen. Und auch bekannte Namen nützen wenig, wenn Grundig plötzlich Waschmaschinen anbietet und Telefunken Toaster.

Leiseste Waschmaschine der Welt

Einen der größten Auftritte leistet sich die außerhalb der Branche praktisch unbekannte Firma Vestel – ein türkischer Multi, der anscheinend alles kann, was die anderen auch können, und sogar „World record washing noise“, also die leiseste Waschmaschine der Welt, vorzustellen behauptet.

Aber was weiß man hier schon noch? Ein großer Teil der Ifa hat sich zur Ostasien-Messe gewandelt, dort hinten, wo bei der Grünen Woche immer die Kühe und Pferde stehen. Hier versteht der landläufige Besucher praktisch nichts mehr, und selbst das Essen kommt komplett aus einer asiatischen Garküche.

Fernsehkoch verbindet

Das verbindende Glied zwischen Mensch und Technik kann so also nur noch der Fernsehkoch sein. Den größten von allen, den Schuhbeck Alfons, hat sich Siemens gesichert – da ist die Tribüne voll, wenn er gelassen vor sich hin schnippelt und en passant eines seiner gefürchteten Gewürzseminare hin brummelt. Anspruchsvoller geht es bei AEG zu, wo der Avantgardist Heiko Antoniewicz über „Flavour pairing“ nachdenkt.

Die großen Küchengerätehersteller übertrumpfen sich derart mit Innovationen allerelektronischster Art, dass eine Kleinigkeit fast übersehen wird: Bei Miele gibt es eine Kühlschranktür, schwarz, die sich mit Kreide beschreiben lässt. Einfach so, voll analog, zum Abwischen mit der Hand. Es könnte sein, dass das am Ende die größere Neuerung ist als der Kühlschrank selbst mit all seinen Kameras und Netzwerksteckern.

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