
© Annegret Hilse/Reuters
Impfskepsis in Berliner Bezirken: "Die Überzeugungsarbeit funktioniert"
Am Dienstag besuchte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine Moabiter Arztpraxis. Der Besuch zeigt auch: Die Impfbereitschaft ist vorhanden.
Stand:
Dienstagfrüh um acht Uhr versammelt sich vor einer Gemeinschaftspraxis in der Turmstraße in Berlin-Moabit eine kleine Gruppe von Menschen – überwiegend Presseleute. Kamerateams bringen sich in Position, Live-Schalten werden vorbereitet. Die ungewöhnliche Szene zieht immer wieder die neugierigen Blicke der Passanten auf sich. Einige bleiben stehen, warten und beobachten.
Grund für die kleine Ansammlung ist ein Termin des Bundespräsidenten. Vor dem Hintergrund der in den vergangenen Wochen aufgekommenen Debatte um eine relativ ausgeprägte Impfskepsis in sozial schwierigen Stadtteilen besucht Frank-Walter Steinmeier die Arztpraxis, um sich über den aktuellen Stand und die Erfahrungen auszutauschen.
Moabit sei ein „kulturell, religiös und sozial sehr gemischter Stadtteil“, sagt Steinmeier nach dem Gespräch mit der Allgemeinmedizinerin Farideh Golshahi und dem Internisten Kaywan Hassas. „Gerade hier in einem solchen Stadtteil, der auch von größeren sozialen Problemen geprägt ist, zeigte sich, dass die Beratung und Behandlung durch Hausärzte wirklich Gold wert ist“, sagte der Bundespräsident. Im unmittelbarem Gespräch mit ihren Patientinnen und Patienten könnten Hausärzt:innen Vertrauen für die Impfungen schaffen.
In dem Gespräch sei auch klar geworden, dass bei vielen Patient:innen „der Erfolg der Aufklärungsarbeit sehr groß ist“. Der Bundespräsident warnt aber auch, in der Krise gebe es auch eine „soziale Dimension“. Man müsse Vorsorge dafür treffen, dass in der Pandemie die „Gräben in der Gesellschaft nicht noch tiefer werden“.
Moabiter Ärzte sehen große Impfbereitschaft
Studien aus Großbritannien hätten gezeigt, dass in den Teilen der Bevölkerung und Stadtteilen „mit größerer Armut, prekären Lebensverhältnissen und mit größeren Sprachbarrieren die Infektionsrate deutlich höher“ sei; auch Daten aus Deutschland legen diesen Befund nahe. Es sei daher wichtig, unterschiedliche Möglichkeiten zu suchen und zu finden, auch diese Menschen zu erreichen, erklärt Steinmeier.
[Kennen Sie die 12 Tagesspiegel-Newsletter für jeden Berliner Bezirk? Die gibt es hier, kostenlos und Bezirk für Bezirk: leute.tagesspiegel.de]
Fehlende Impfbereitschaft scheint in Moabit allerdings nicht das Problem zu sein. Das bestätigen auch Farideh Golshahi und Kaywan Hassas. Sie zeigen sich überwiegend zufrieden mit den Impffortschritten. Die Bereitschaft sei da, erklärten sie. „Die Menschen kommen mit großem Interesse.“ Zwar gebe es auch skeptische Patienten, insgesamt seien sie aber zufrieden. „Die Überzeugungsarbeit funktioniert“, erzählt Golshahi.
[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Insbesondere die über Jahre aufgebaute Vertrauensbasis sieht Kaywan Hassas als eine Stärke der Hausärzte. „Das ist ein wichtiger Punkt, der die Bereitschaft erhöht.“
Was allerdings noch fehlt, sei genügend Impfstoff. Gerne hätten beide mehr Impfstoff zur Verfügung. Ihre Warteliste reiche aktuell bis Juli. Mit ausreichend Impfstoff könnten sie nach eigenen Angaben bis zu 200 Impfungen in der Woche durchführen.
Nicolas Lepartz
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: