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Dieter überall: Ungeachtet aller anderen Verpflichtungen gab Berlinale-Chef Dieter Kosslick am Donnerstagabend auch noch sein Gesangsdebüt mit Folkbarde Donovan.
© AFP/Odd Andersen

Berlinale-Chef gibt Konzert: Dieter Kosslick meets Donovan

Bei „Cinema, Cinema“ singt er erst mal nur den Refrain mit, doch dann geht die Post ab: Berlinale-Chef Dieter Kosslick hat sein Debüt als Sänger gegeben – beim nächtlichen Konzert mit der Musiklegende Donovan.

Lampenfieber traut man dem immer lustig wirkenden Dieter Kosslick normalerweise gar nicht zu. Aber man muss nur lange genug wach bleiben. Nachts um halb eins ist es plötzlich so weit. Donovan schlendert durchs Foyer des Martin-Gropius-Baus, kündigt an, dass er gleich ein paar Lieder singen will. Eigentlich hatte sich der Berlinale-Chef darauf gefreut, mit dem großen Folkbarden auf die Bühne zu treten, um gemeinsam mit ihm „Mellow Yellow“ zu singen. (I’m just mad about saffron ...“). Aber nun fühlt er sich plötzlich schrecklich heiser. „Sieben rote Teppiche an einem Tag ...“, krächzt er vielsagend. „Ich kann unmöglich singen.“

Schließlich hat er am Ende des langen Donnerstages nach der Spätvorstellung des Kulinarischen Kinos im Gropius-Bau auch noch von der Bühne aus dem staunenden Publikum erzählt, wie es dazu kam, dass er und Donovan in Rom dasselbe Stammlokal haben. Das spielte, wie es der Zufall so will, die Hauptrolle in dem unmittelbar vorab gezeigten Film „Otello’s Secret“.

„Otello alla Concordia“ ist eine Trattoria in der Nähe der Spanischen Treppe, und gleich nach dem Krieg wurde sie zu einem Treffpunkt für Künstler aus der Filmwelt, Antonioni, Fellini, Visconti, Pasolini, Scola, Monicelli – alle waren sie in der Dorfkneipe des Kinos. Auch der große Verehrer des italienischen Neorealismus Donovan kam immer wieder hierher.

Dieter Kosslick schneite vor Jahrzehnten eigentlich nur zufällig rein, weil ihm der Kaffee im Café Greco zu teuer war (8000 Lire!). Damals sei er noch Student gewesen, dass er es einmal zum Festivaldirektor bringen würde, hätte er nicht geahnt. Die 3500 Lire für eine Portion Spaghetti mit Tomatensauce im Otello konnte er sich immerhin leisten, die Artischocken, nach denen sein Appetit begehrte, noch nicht.

Wie auf einer psychedelischen Hochzeit

Aus Anlass des 100. Geburtstags des Gründers Otello versuchen die Stammgäste in dem Film zu erklären, was das Besondere an dieser heute vom Lächeln seiner Töchter geprägten Trattoria ist. Donovan macht im Film den Anfang und singt „Cinema, Cinema“. Später tritt auch Pete Seeger auf mit „Where have all the Flowers Gone“. Es gibt Erinnerungen an die Blütezeit des italienischen Films, auch an die Zeit der Hippies.

Im Song „Mellow Yellow“ kommt nämlich auch eine elektrische Banane vor, typisches Accessoire der psychedelischen Hochzeit. Damals hätten alle gedacht, das sei eine Anspielung darauf, dass geröstete Bananenschalen dieselbe Wirkung hätten wie Drogen, erinnert sich ein Gast. „Wir haben es probiert, es schmeckte schrecklich.“ Am Ende hat er Donovan gefragt, der ihm sagte, nie wäre er darauf gekommen, das Zeug zu rauchen.

Mellow-Yellow-Mann. Donovan feierte in der Hippie-Ära große Erfolge. Foto: dpa
Mellow-Yellow-Mann. Donovan feierte in der Hippie-Ära große Erfolge. Foto: dpa
© picture-alliance/ dpa

Nun sind alle milder und gelassener, Prosecco und italienische Petits Fours sind die Drogen dieser Nacht. Und tatsächlich, sie wirken, sogar gegen das Lampenfieber. Kaum ist Donovan auf die Bühne getreten, steht der Produzent des Films, Andrea Sisti, schon zu seiner Linken, und zur Rechten sitzt ein plötzlich ganz entspannter Dieter Kosslick mit blitzenden Augen und völlig intakten Stimmbändern, das Mikro in der Hand. Bei „Cinema, Cinema“ singt er erst mal nur den Refrain mit. Aber als es dann an den Safran und die elektrischen Bananen geht, geht die Post richtig ab. Die zahlreich anwesenden italienischen Filmschaffenden, darunter auch der Regisseur Francesco Ranieri Martinotti, drücken die Videotasten auf ihren Handys, auch Kosslicks Frau Wilma ist gekommen, um diesen Gig mitzuerleben. Ja, die Farben der Jugend, „Colours“. Es bleibt bei ein paar Liedern diesmal, im Herbst will Donovan wiederkommen für ein größeres Konzert.

Seit Otellos Tochter mitbekommen hat, dass Dieter Kosslick nicht mehr nur irgendein Mann ist, der Spaghetti isst, muss er sich nach Artischocken nicht mehr verzehren. Und es geht weiter bergauf. Im Anschluss an den Durchbruch als Sänger darf er selber Autogramme geben. Unbedingt muss er auch noch die Gitarre des Produzenten signieren.

„Ich war nicht laut genug“, sagt er später etwas bedauernd. Das freilich dürfte seine geringste Schwäche sein. Hauptsache textsicher.

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