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Berlin: Dorfschule schlägt Wolkenkratzer Diébédo Kéré von der TU holte renommierten Preis

Den Anfang machte eine Sammelbüchse. Mit ihr zog Diébédo Francis Kéré durch das Architekturgebäude der Technischen Universität am Ernst-Reuter-Platz und bat Dozenten und Kommilitonen um Spenden für eine Herzensangelegenheit.

Den Anfang machte eine Sammelbüchse. Mit ihr zog Diébédo Francis Kéré durch das Architekturgebäude der Technischen Universität am Ernst-Reuter-Platz und bat Dozenten und Kommilitonen um Spenden für eine Herzensangelegenheit. Drei Jahre später – 2001 – wurde diese Wirklichkeit: In seinem Heimatdorf Gando in Burkina Faso eröffnete Kéré die von ihm entworfenen Grundschule. Finanziert allein aus deutschen Spenden. Realisiert mit der Unterstützung vieler ehrenamtlicher Helfer vor Ort.

Für Bau und Konzeption dieser Schule im 3000-Einwohner-Dorf Gando bekam Diébédo Francis Kéré nun den „Aga Khan Award for Architecture“. Der Ismailiten-Führer überreichte dem TU-Absolventen die mit 70 000 Dollar dotierte Auszeichnung in Indien persönlich, mit den Worten: „Sie sind ein wahrhafter Gewinner.“

Auch wenn die Preisverleihung bereits etwas zurückliegt und Kéré sich mittlerweile an den Rummel um seine Person gewöhnt haben müsste, so klingt er im Gespräch dennoch zurückhaltend schüchtern, fast ängstlich. Bevor er einen Satz beginnt, holt er tief Luft, ganz so, als wolle er sich selbst Mut machen, ihn auch tatsächlich über die Lippen zu bringen. „Ich hätte nicht gedacht, dass sich auf einmal so viele Leute für mich interessieren“, sagt der Architekt und Lehrbeauftragte. Diese bescheidene Art mag zu einem Mann wie Diébédo Francis Kéré gar nicht recht passen. Bei der Ausschreibung des höchstdotierten internationalen Architektur-Preises in der islamischen Welt konkurrierte er mit seiner Schule schließlich gegen weitere namhafte Mitbewerber wie die Petronas-Towers in Kuala Lumpur oder die Bibliotheca Alexandrina in Ägypten. Dennoch reagiert der 38-Jährige verlegen, wenn ihm seine Studenten im Vorbeigehen nachträglich gratulieren. „Ich will kein Vorbild oder Star sein“, sagt Kéré. „Ich möchte den Leuten zeigen, dass Entwicklungshilfe keine Einbahnstraße ist.“ Hilfe zur Selbsthilfe. Deshalb will der Wahlberliner bei der Schulbildung seiner Landsleute ansetzen. In Burkina Faso beträgt die Analphabetenquote mehr als 80 Prozent.

Dass er den Luxus einer Schuldbildung selbst in Anspruch nehmen durfte, wusste Kéré erst recht spät zu schätzen. Die Eltern schickten den ältesten Sohn zum Lernen in die nächstgelegene Großstadt. Anfangs empfand er das als Strafe. Der Trennung von seinen zwölf Geschwistern wegen. Der schweren Arbeiten zur Finanzierung seines Lebensunterhalts wegen. Des plötzlichen Auf-Sich-Allein-Gestellt-Seins wegen. „Mit sieben Jahren war für mich die Kindheit vorbei.“ 1986 kam Kéré nach Deutschland. Er absolvierte eine Ausbildung zum Entwicklungshelfer, studierte danach Architektur und begann, ermutigt durch seinen Professor Peter Herrle, noch während des Grundstudiums mit der Umsetzung seiner Schulidee. Bei dem Vorhaben, so Kéré, sei er „nur der Dirigent“ gewesen.

Gerade erst kommt Kéré von einer Reise aus Afrika zurück. Dort inspizierte er die Fortschritte der Bauarbeiten an den Anbauten. Die Schule ist dem Andrang von mittlerweile über 300 Kindern nicht mehr gewachsen und muss erweitert werden. Das Preisgeld des „Aga Khan Awards" kommt für Diébédo Francis Kéré daher sehr gelegen. Die Sammelbüchse, mit der alles seinen Anfang nahm, hat er heute immer noch. Sie ist Kérés Glücksbringer.

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