zum Hauptinhalt
Abheben auf dem alten Flugfeld: Tote-Hosen-Sänger Campino am Freitagabend, im Hintergrund die Hangars.

© DAVIDS/Sven Darmer

Update

Die Toten Hosen live in Berlin: Drei Kreuze für die Zaungäste

Echte Toten-Hosen-Fans kamen am Freitag früh, um beim Konzert vorne zu stehen. Andere versuchten auf den Grünflächen rund um die Absperrungen mitzuhören – und waren trotz gedämpfter Akustik zufrieden.

Kurz vor 21 Uhr geht's dann richtig los. Mit den Songs „Drei Kreuze (dass wir hier sind)“ und „Ballast der Republik“ vom gleichnamigen aktuellen Album - für die Tournee in „Der Krach der Republik“ umgewandelt - eröffnen die Toten Hosen am Freitagabend vor einigen Zehntausend Fans ihre Show auf dem Tempelhofer Feld. Das freut auch die zahlreichen Zaungäste, die von außerhalb des abgesperrten Areals zuschauen und sich freuen, dass man zumindest ein bisschen von dem versteht, was gesungen wird und eine Ahnung von der guten Stimmung drinnen auf dem 23 Hektar großen Konzertgelände bekommt.

Kur vor dem Konzert ein Gespräch zwischen Cousin und Cousine auf dem einstigen Flughafenareal: Ob sie sich später nur die Toten Hosen ansehen werden oder die nächsten Tage auch die Ärzte? Danny Hampel, 34, zögert kurz. Dann sagt er: „Wir haben nur Karten für heute Abend, aber die Ärzte find ich auch nicht schlecht.“ Seine Cousine guckt ihn entsetzt hat. „Wie bitte? Das hast du mir in den letzten 20 Jahren aber nicht gesagt. Ich glaub, ich nehm dir dein Ticket wieder weg.“ Sandra Maarouf schubst ihren Vetter leicht an und schaut zu den wartenden Fans vor dem Einlass. Die beiden Berliner haben es auf ihrer Decke überhaupt nicht eilig. Erstens beginnt das Konzert an diesem Freitagabend in vier Stunden – und zweitens ist ihre Sektflasche noch fast voll.

Dort, wo vor ein paar Jahren noch Flugzeuge landeten, sitzen am Freitag schon ab mittags mehrere Grüppchen auf dem Rasen. Die meisten von ihnen sind gekommen, um Campino und Co. später live und aus der Nähe zu sehen. Doch prinzipiell können auch Parkbesucher ohne Konzertkarte der Musik zuhören. Wenn auch aus der Ferne. „Für mich wäre das allerdings nichts. Ich will vorne in der Pogo-Menge dabei sein“, sagt Marc Schönborn, 21, der aus Lausitz kommt und die Toten Hosen an diesem Abend zum 20. Mal sehen wird. Er findet es aber auch nicht schlimm, wenn sich andere die Lieder von der Wiese aus anhören. Genau das versucht der Veranstalter allerdings zu verhindern.

Schwarze Planen grenzen das Konzertgelände ab

„Grundsätzlich ist der Aufbau so konzipiert, dass es nicht möglich ist, das Konzertgeschehen auch aus dem Park zu erleben“, sagt ein Sprecher der Loft Concerts GmbH. 120 000 Gäste haben dafür immerhin bezahlt – verteilt auf drei Konzerttage – und damit nur sie die Shows gut sehen können, haben die Veranstalter das 23 Hektar große Konzertgelände mit fünf Einlässen, weißen Zäunen und einem schwarzen Sichtschutz aus Plastikplanen abgeriegelt. Und nicht nur das: Spezielle Sound-Einstellungen sorgen zudem dafür, dass der Ton nur gedämpft über das gesamte ehemalige Flughafengelände schallt.

Rund ums Konzertareal sitzen am Freitag dennoch viele Zaungäste, die das nicht schreckte. Entspannt verfolgen sie auf Decken das Konzert aus der Entfernung - und freuen sich, dass man zumindest ein bisschen von dem versteht, was hinter der Absperrung gesungen wird. „Ich hatte erst Angst, dass man von außen gar nichts sieht und hört“, sagt Petra Mürmann (45). Aber dank der auch von außen einsehbaren Leinwände, auf denen das Bühnengeschehen übertragen wird, sei der Platz im Park auch nicht schlechter als ein billiger Stehplatz, glaubt sie: „Das ist Magie pur.“ Vanessa Di Carlo gefällt's ebenfalls, auch wenn sie sich erst überreden lassen musste, hierher zu kommen. Aber jetzt lobt sie das „gute Preis-Leistungs-Verhältnis“ der Gratisplätze.

Für den Abend bezahlt hat hingegen Simone Schmidt aus Düsseldorf. Sie ist überzeugter Hosen-Fan und trägt ein schwarzes Tour-Shirt. Wie Marc Schönborn aus der Lausitz will sie später ganz nah vor der Bühne stehen. „Es ist ja wohl ein riesiger Unterschied, ob ich mitten in der Menge bin oder kilometerweit entfernt“, sagt die 25-Jährige, die sich die Band aus ihrer Heimatstadt an diesem Wochenende zum fünften Mal live ansehen wird. Um sie herum haben die meisten entweder eine Bratwurst oder ein Bier in der Hand. Das müssen sie allerdings draußen lassen, wenn sie gleich auf das eingezäunte Gelände auf dem Vorfeld des Flughafengebäudes wollen. Aus Sicherheitsgründen, heißt es.

Aufwärmen mit „Ich will nicht nach Berlin“

Für das Aufwärmen sind an diesem Abend die Broilers zuständig, die mit Songs wie „Tanzt Du noch einmal mit mir?“ einen guten Auftakt bieten. Dann kündigt Campino persönlich die zweite Vorband an: Kraftclub. Und die heizen dem Publikum gleich kräftig ein und spielen unter anderem „Songs für Liam“ und, besonders passend, „Ich will nicht nach Berlin“.

Zum Schutz der Besucher sind neben Polizei und Ordnungsamt rund 600 Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes im Einsatz – und das nicht nur auf der abgeriegelten Veranstaltungsfläche. Damit die vielen Konzertgäste nicht die Garagen und Grünflächen im Viertel blockieren, hat der Veranstalter einen „Anwohnerschutz“ eingerichtet. „Deswegen raten wir ganz dringend dazu, dass die Besucher mit Bus und Bahn anreisen“, sagt ein Sprecher der Tempelhof Projekt GmbH. Das Unternehmen arbeitet seit dem 1. September 2009 gemeinsam mit der Grün Berlin GmbH an der Entwicklung des Standortes und konzentriert sich seitdem auf Veranstaltungen. Das jetzige Großevent ist dennoch ein Test.

Von solchen Konzerten könnte es bald mehr geben

Wenn sich die Anwohner nicht über Krawalle auf den Straßen, wilde Parker oder die Lautstärke beschweren, könnte es in Zukunft mehr solcher Veranstaltungen geben. „Die Möglichkeiten sind auf diesem riesigen Gelände auf jeden Fall da. Diesen unfassbaren Freiraum gibt es kein zweites Mal in Berlin, ja nicht einmal in Europa“, sagte ein Sprecher der Tempelhof Projekt GmbH. Und laut einer repräsentativen Umfrage der „Stiftung für Zukunftsfragen“ mögen die Deutschen eines in ihrer Freizeit ganz besonders: Veranstaltungen an der freien Luft.

Für eine junge Frau bedeutet das Doppelkonzert allerdings keine Freizeit, sondern Arbeit. Claudia Nitzschke ist mehr als vier Stunden lang mit dem Auto von Chemnitz nach Berlin gefahren, um während der Shows zu kellnern. Auf welche Band sie sich dabei mehr freut? „Leider auf gar keine. Ich höre Dubstep.“

Das Konzert der Ärzte an diesem Sonnabend ist ausverkauft, für Sonntag, 17 Uhr (Einlass 14.30 Uhr), gibt es noch Restkarten an der Tageskasse.

Leserdebatte: Wie finden Sie, liebe Leser, die Verwandlung des Tempelhofer Feldes in eine Open-Air-Bühne? Diskutieren Sie mit über die Kommentarfunktion am Ende dieses Textes!

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false