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Schau hin! Es gibt keinen Krawattenzwang mehr in Berlins Sterne-Restaurants. Auch Boris Häbel vom Adlon auc seine Kleiderordnung geändert - Anzug statt Smoking.

© Fotolia Minvera-Studio, promo

Dresscode im Sternerestaurant: Das perfekte Dinner-Outfit

Dresscode im Sterne-Restaurant? Den gibt es schon lange nicht mehr. Heute muss man keine Angst mehr vor strengen Garderobieren haben, die einem am Eingang eine Krawatte um den Hals schlingen. Aber der Maître freut sich über ein appetitliches Äußeres seiner Gäste.

Selbst in den edelsten Berliner Restaurants gibt es einen einfachen Weg, die Kellner zu erkennen: Es sind die mit der Krawatte. Der betont lässige, manche sagen: zu lässige Stil, der in der Hauptstadt längst auch feierliche Veranstaltungen erfasst hat, bestimmt die Atmosphäre am Tisch nicht nur in der Pizzeria, sondern auch im Luxusrestaurant. Wer dennoch mit dunklem Anzug und Krawatte erscheint, der hat meist Grund, sich overdressed zu fühlen – vermutlich geben sich die meisten guten Restaurantleiter der Stadt vor allem deshalb so penibel konservativ-elegant, damit sich diese Gäste nicht allzu allein fühlen. Doch mehr können auch sie nicht tun, als die haarige Wade fehlgeleiteter Besucher mit Verachtung zu strafen.

Einen regelrechten Dresscode gibt es in Berliner Restaurants faktisch nicht mehr, seit 1982 das „Maître“ in der Meinekestraße geschlossen wurde – dort bestand man im traditionellen französischen Stil auf Sakko und Krawatte und setzte ständig eine strenge Garderobiere ein, die notfalls aushelfen konnte, aber bei Missfallen den Zutritt auch schroff verweigerte. So etwas gibt es heute nicht einmal mehr in Paris oder New York.

Wer dagegen in Berlin vorsichtig nach dem Dresscode fragt, der erhält allenfalls so etwas wie „smart casual“ zur Antwort, was auf Deutsch heißt: ganz egal, nur bitte nicht mit Shorts und Badelatschen. (Für Männer, Frauen dürfen auch das, wenn nicht noch der Strandsand aus der Hose rieselt.) Über Jeans rümpft faktisch niemand mehr die Nase, seit die abgerissensten die teuersten sind, und auch Turnschuhe sind längst von der Mode adoptiert und damit gesellschaftsfähig.

Die beiden formellsten Restaurants der Stadt sind nach allgemeiner Einschätzung das „Lorenz Adlon Esszimmer“ und „Fischers Fritz“. Andrea Güttes, jetzt bei Markus Semmler, hat einige Jahre als Restaurantleiterin im „Fritz“ gearbeitet und dort eine Zeit lang sogar versucht, männliche Gäste im Sommer wenigstens zum Tragen eines Hemds mit langen Ärmeln und zu langen Hosen zu bringen. Doch auch diese bescheidene Anforderung, angesichts der gut funktionierenden Klimaanlage nicht unzumutbar, ließ sich auf Dauer nicht durchsetzen und wurde vor allem mittags zunehmend aufgeweicht.

Restaurantleiterin Andrea Güttes hält es für eine gute Idee, sich für einen Restaurantbesuch hübsch zu machen.
Restaurantleiterin Andrea Güttes hält es für eine gute Idee, sich für einen Restaurantbesuch hübsch zu machen.

© promo

Andrea Güttes hat selbst eine klare Einstellung: „Wenn ich in ein Zwei-SterneRestaurant gehe, dann freue ich mich drauf und mache mich hübsch.“ Nach ihrem Eindruck sind es keineswegs die übel beleumundeten Amerikaner, die ja auch in ihrer Heimat eher streng mit unpassender Kleidung umgehen. „Spanier und Italiener kommen am häufigsten extrem leger“, hat sie beobachtet, und es handele sich dabei durchaus um Leute mit Geld.

Andere, die sich den Besuch zusammensparen, legten dagegen viel mehr Wert auf passende Kleidung, weil das für sie etwas Besonderes sei, meint sie. Aber generell habe sich das Kleidungsniveau in den letzten Jahren geändert, Krawatten sind zur Rarität geworden. „Meistens kommen die Männer noch mit Jackett, legen das aber auch schnell beiseite.“ Krawatten sieht sie am häufigsten jetzt sogar mittags unter Geschäftsleuten.

Ganz ähnliche Beobachtungen macht Boris Häbel, der Chef im „Lorenz Adlon Esszimmer“. Dieses Zwei-Sterne-Restaurant ist nur abends geöffnet – und so klein, dass jeder eintreffende Gast von den anderen gemustert werden kann. Häbel bestätigt das Verschwinden von dunklem Anzug und Krawatte auch dort, nimmt es aber als Ausdruck des Berliner Lebensgefühls: „Die Stadt ist nun einmal kreativ, und die Berliner Mode hat nichts mit Krawatte und feinem Kleidchen zu tun, das ist völlig in Ordnung.“

Ganz anders war das in Frankfurt, seinem vorherigen Arbeitsplatz, wo formell angezogene Banker das Bild dominierten; auch im legendären Burj el Arab in Dubai hat er die Sitten zunächst als sehr streng erlebt, doch auch dort wurden Sakkozwang und Jeansverbot längst aufgehoben.

Häbel hat sich selbst im Adlon dafür eingesetzt, das Bild etwas zu lockern: Er schaffte den Smoking für sich ab, trägt selbst nur noch dunklen Anzug, die Kellner sind sogar auf legeren Cardigan umgestiegen. Und wenn es im Sommer warm wird am Tisch, dann signalisiert er den Gästen Lockerung mit der beiläufigen Frage, ob er ihnen das Jackett abnehmen dürfe.

Kommt jemand unverschuldet unpassend, weil sich beispielsweise der Koffer verflogen hat, dann kann das Hotel mit seinen vielfältigen Möglichkeiten „schon mal helfen“; spontan fehlgekleidete Besucher werden notfalls diskret im Hintergrund untergebracht. Häbel hat in seinen Adlon-Jahren jedenfalls noch keinen Gast komplett abgewiesen.

Dass dagegen der Gast im Smoking kommt, das passiert nur noch bei Galas. Und wenn frisch getraute Paare zu Gast sind: er im Smoking, sie im weißen Kleid. Aber so etwas erlebt man selbst im noblen Adlon allenfalls einmal im Jahr.

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