zum Hauptinhalt
Abtransport: Die Zugmaschine wird am Tag nach dem Anschlag vom Breitscheidplatz entfernt.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

„Drogen, Frauen und Asylrecht“: Was das BKA über den Amri-Vertrauten Bilel Ben Ammar weiß

Welche Rolle spielte das Umfeld des Breitscheidplatz-Attentäters? Im Berliner Untersuchungsausschuss berichtet ein leitender Ermittler über einen Islamisten.

Von Sabine Beikler

Die Aussage des leitenden BKA-Beamten Dominik G. war deutlich: „Amri war hauptverantwortlicher Täter. Wir konnten keine weiteren Mittäter identifizieren“, sagte der Kriminaldirektor am Freitag im Amri-Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. Der Attentäter sei auch nach dem Anschlag allein im Führerhaus des Lkw gewesen. Es gebe auch keine Erkenntnisse, dass ihm jemand bei der Flucht geholfen habe.

Dominik G. leitete nach dem Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 die polizeiinterne Besondere Aufbauorganisation (BAO) City, die entsprechend der Terrorlage gebildet wurde, um Kräfte zu bündeln. Zunächst wurde die BAO „Weihnachtsmarkt“ mit LKA-Beamten gebildet. Die Bundesanwaltschaft übernahm einen Tag nach dem Anschlag die Ermittlungen und gründete die BAO City, in der BKA- und LKA-Beamte zusammenarbeiteten.

Auch der Amri-Vertraute Bilel Ben Ammar sei nicht am Abend des 19. Dezember auf dem Breitscheidplatz gewesen. Ben Ammar war zehn Tage lang nach dem Attentat, bei dem Amri zwölf Menschen ermordete, abgetaucht und wurde am 30. Dezember 2016 festgenommen. Er saß bis zu seiner Abschiebung am 1. Februar nach Tunesien in Untersuchungshaft. Zweimal hatten ihn BKA-Beamte in dieser Zeit vernommen, allerdings nur für insgesamt fünf Stunden.

Ben Ammar war kein Unbekannter in der islamistischen Szene. Er traf sich am Abend vor dem Anschlag mit Amri in einem Dönerladen. Beide hätten dort nach Zeugenaussagen „verschwörerisch“ zusammengesessen.

Ben Ammar gab zu, dass er Amri kannte und von ihm Drogen bezog. In ihren Gesprächen sei es vorrangig um „Drogen, Frauen und Asylrecht“ gegangen, sagte der BKA-Beamte. Dass sich auf seinem Handy Fotos vom Breitscheidplatz befanden, die im Frühjahr 2016 aufgenommen worden waren, wussten die BKA-Leute. „Es waren komische Fotos“, sagte Dominik G. „Die reichten aber nicht aus für den Verdacht der Beihilfe.“ Und dass Ben Ammar möglicherweise Anstifter hätte sein können, habe man nicht beweisen können.

Amris Vertrauter soll „durchweg gelogen“ gehaben

Ben Ammar hat laut dem BKA-Beamten bei den Vernehmungen „durchweg gelogen“ und sich in Widersprüche verstrickt. Zwar hatte das BKA Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Ben Ammar, aber er wurde neben einer ganzen Reihe von Leuten aus dem Amri-Umfeld schnell abgeschoben. Das sei damals auch „kein Diskussionspunkt“ gewesen, betonte der BKA-Mann. „Soweit wir es ermitteln können, war Ben Ammar an der Tat nicht beteiligt.“

[Die neuesten Meldungen aus Berlin: Jeden Morgen ab 6 Uhr im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint von Chefredakteur Lorenz Maroldt und seinem Team. Jetzt kostenlos anmelden: checkpoint.tagesspiegel.de]

Was Amri in der Fussilet-Moschee gemacht habe, wen er dort möglicherweise getroffen habe, habe man nicht klären können. „Denkbar ist, dass er gebetet hat“, sagte der Zeuge vor dem Ausschuss.

Geklärt ist bisher, dass Amri die Moschee um 19.06 Uhr verlassen hatte, dann zum Friedrich-Krause-Ufer fuhr, wo er mehrfach zuvor die dort parkenden Lkw ausgespäht hatte. Er kaperte einen Lkw, erschoss den polnischen Speditionsfahrer Lukasz Urban und steuerte den Lkw in Richtung Breitscheidplatz.

Amri chattete regelmäßig mit seinem „IS-Mentor“

Auch wenn Amri nach einer früheren Aussage der Bundesanwaltschaft bei dem Anschlag keine weitere Person an seiner Seite hatte, war er kein Einzeltäter im juristischen Sinn. Denn bis kurz vor der Tat hatte er Kontakt zu einem „IS-Mentor“ im Ausland gehabt. Er chattete regelmäßig mit dem Mann namens Mouadh Tounsi. Diese Informationen erhielt die Bundesanwaltschaft durch das bei dem Tat-Lkw gefundene Handy, das Amri zugeordnet werden konnte.

[Lesen Sie mehr zum Breitscheidplatz-Anschlag: Diese Puzzleteile geben im Fall Amri immer noch Rätsel auf.]

Im November 2016 erreichte den Tunesier noch eine Nachricht per Telegram-Messenger von Tounsi, übersetzt als „frohe Botschaft“ für diejenigen, die „Märtyrer-Operationen“ durchführen.

Nach wie vor nicht geklärt ist, woher Amri die Waffe der Marke Erma hatte, mit der er Lukasz Urban erschoss. Nach einem ballistischen Vergleich ist belegt, das Amri mit dieser Waffe am 23. Dezember in Italien auf zwei Polizisten schoss. Bei dieser Kontrolle wurde Amri selbst erschossen.

Zur Startseite