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Immer wieder liegen E-Scooter auf Berliner Gehwegen herum.

© imago images / snapshot

Regulierung von Sharing-Diensten in Berlin: E-Scooter-Anbieter wollen strengere Regeln – und tausende Stellflächen

In der Debatte um E-Scooter sprechen sich nun auch Anbieter selbst für mehr Regeln aus. Zumindest wenn es an jeder Kreuzung Stellflächen gibt.

Der Ärger über herumliegende E-Scooter und anderen Sharing-Fahrzeugen auf Berlins Gehwegen ist groß. Wie kann das Chaos behoben werden kann und die Angebote auch am Stadtrand einen sinnvollen Beitrag zur Mobilität leisten können? Darüber diskutierte am Donnerstag erneut der Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses.

Auf der Tagesordnung stand eine Expertenanhörung zur Novellierung des Berliner Straßengesetzes. Mit dem Gesetz will die rot-rot-grüne Koalition die Anbieter von mietbaren E-Scootern, Leihrädern und Carsharing-Diensten auf den Straßen der Hauptstadt regulieren.

Der Senat will die Angebote dafür zu einer Sondernutzung des Straßenlandes erklären. Die Stadt will so begrenzen, wie viele Dienste auf den Straßen unterwegs sind und wie viele Fahrzeuge je Unternehmen erlaubt sind. Auch sind noch zu erarbeitende Betriebsregeln geplant. Zudem sollen die Unternehmen ab Juni 2023 feste Nutzungsgebühren je Fahrzeug zahlen – so ist der Plan.

Doch um das Vorhaben gibt es seit Monaten Debatten. Während etwa der Verband der Fußgänger:innen FUSS e.V. und die Vertreter von Sehbehindertenverbänden eine strenge Regulierung seit langem anmahnen, versuchte die Sharingbranche bislang alles, um das Gesetz zu verhindern. Nun allerdings gibt es zumindest bei den E-Scooter-Anbietern ein Einlenken.

So ist zu verstehen, was Lawrence Leuschner, Chef und Co-Gründer des Berliner E-Scooter-Start-ups Tier, im Ausschuss sagte: „Es ist richtig, dass Berlin eine Regulierung etabliert. Tier stellt sich nicht gegen eine Sondernutzung.“ Doch das allein reiche nicht. Nötig sei zudem eine Ausschreibung des Angebots durch das Land.

„Nur mit einer Ausschreibung können sie die Kriterien auswählen, die Anbieter erfüllen müssen. Setzen sie die Standards hoch und wählen sie nur die besten Anbieter aus.“ Auch Alexander Jung von Lime erklärte, „grundsätzlich bereit“ zu sein, an einer Ausschreibung mit klar definierten Regeln für die Anbieter teilzunehmen.

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Die Äußerungen der Unternehmen bedeuten eine Kehrtwende. Bislang hatten die Dienste versucht, die Novellierung des Berliner Straßengesetzes mit allen Mitteln zu verhindern. Erst kürzlich unterbreiteten sie dem Senat ein Angebot zur freiwilligen Selbstregulierung, wenn denn das Land auf das strengere Gesetz verzichte. Offenbar mussten sie einsehen, dass sie die rot-rot-grüne Koalition auf diesem Wege nicht von dem Vorhaben abbringen konnten.

Zugleich stellten Tier-Chef Leuschner und Lime-Vertreter Jung aber auch klar, was für ein erfolgreiches Modell nötig sei: mehr Platz für die Angebote auf Berlins Straßen. „Wir reden über tausende Parkplätze, die geschaffen werden müssen“, sagte Leuschner. Damit es nicht mehr zum Chaos auf den Straßen komme, brauche es alle 250 Meter eine Abstellfläche. Ähnlich sah es Jung.

Bislang kaum E-Scooter-Stellflächen in Berlin

Wenn es keine ausreichende Dichte der Stationen gebe, bliebe die verkehrlich erhoffte Wirkung der Angebote – weniger Autoverkehr – aus. „Die Akzeptanz auf Nutzerseite fällt bereits bei einer Entfernung von 150 Metern stark ab.“ An jeder Kreuzung müsse es daher eine Abstellstation geben.

Ähnliches hatte zuvor der Abgeordnete Stefan Taschner (Grüne) gefordert. Die Realität in Berlin sieht bislang aber anders aus. In zwei Jahren seien erst 38 Stellflächen in der Stadt geschaffen worden, bemängelten die Anbieter. In Paris hätten innerhalb weniger Monate 2500 Parkplätze für E-Scooter gestanden. Und auch im fließenden Verkehr fehle es an der nötigen Infrastruktur, bemängelte Alexander Jung. „In einer 50er-Zone ohne Radweg ist es nicht verwunderlich, dass die Menschen auf den Gehweg ausweichen.“

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Unterstützung fanden die Anbieter bei Kristian Ronneburg (Linke). „Lasst und auf den Weg machen zur Konzessionierung von Leihfahrzeugen“, sagte er. Es gehe nicht darum, nur die Zahl zu begrenzen. Stattdessen müsse man das Angebot regulieren und in die Mobilität der Berliner:innen einfügen. Die Linke will den aktuellen Gesetzesentwurf daher überarbeiten. Neben der Fahrzeugzahl soll danach auch die räumliche Verteilung des Angebots in der Stadt durch eine Ausschreibung vorgegeben werden können. Anders sieht es FDP-Politiker Henner Schmidt. „Der Gesetzentwurf stellt dem Senat viel zu weitreichende Regulierungsmöglichkeiten zur freien Auswahl zur Verfügung, die die attraktiven Angebote des Sharings gefährden würden.“ Die Koalition solle unter anderem deshalb vor der Wahl auf eine Verabschiedung verzichten.

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