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Ute Rastert, Leiterin der Ambulanz für Obdachlose der Stadtmission in der Lehrter Straße.

© Frank Bachner

Ehrenamtliche Ärzte: Wie die Ambulanz der Berliner Stadtmission Obdachlosen hilft

In unserer Serie zur Tagesspiegel-Weihnachtsaktion stellen wir beispielhafte Berliner Sozialprojekte vor und bitten die Leserinnen und Leser um Spenden.

Stand:

Der Bulgare trägt einen verschlissenen, dunkelblauen Anorak, sein Gesicht ist gezeichnet vom rauen Leben auf der Straße. Er wartet schon seit zwei Stunden vor der Ambulanz für Obdachlose der Stadtmission in der Lehrter Straße in Berlin-Moabit. Der Mann deutet auf seinen rechten Unterschenkel, dort hat er Wunden, in der Ambulanz wird man ihm helfen, das weiß er.

Ein kalter Dienstag im Dezember, auch an diesem Tag werden wieder rund 30 Patienten in die Sprechstunde kommen, drei Stunden lang werden ehrenamtliche Ärzte Menschen versorgen, die auf der Straße leben, die keine Krankenversicherung haben, die froh sind, dass es Menschen gibt, die sich um sie kümmern.

Und diese Ambulanz benötigt Geld für Medikamente. Mit Spendengeldern sollen sie gekauft werden. Bronchitis, Erkältungen, offene Wunden, das sind die typischen Probleme der Patienten im Winter. Aber das sind ja trotzdem nur Ausschnitte. „Die Menschen kommen hier das ganze Jahr über mit wunden Füßen, Unterschenkelgeschwüren, abgestorbenem Gewebe, Erkältungen, Fieber, unklaren Schmerzen im Bauchbereich und am Herzen, mit Läusen und Krätze“, sagt Ute Rastert. Sie leitet die Ambulanz, diese Rettungsinsel mit sechs festangestellten Fachkräften und 15 ehrenamtlichen Ärzten aus allen Fachrichtungen, darunter Chirurgie, Dermatologie, Palliativmedizin.

Zwei Mal pro Woche, jeweils rund drei Stunden, ist die Ambulanz geöffnet, mit Dusche, Warte- und Sprechzimmer und sechs Pflegebetten im ersten Stock. „Apotheken ohne Grenzen“ versorgt die Ambulanz mit verschiedenen Medikamenten, aber diese Helfer können nicht alles liefern, was die Ärzte benötigen.

Genau deshalb bittet die Stadtmission um Spendengelder der Tagesspiegel-Leser. „Wir benötigen dringend Baldrian“, nennt Ute Rastert ein Beispiel. „Baldrian dient zur Beruhigung, für die Obdachlosen ist er wichtig, weil sie dadurch zur Ruhe kommen. Viele haben ja auch psychische Probleme, das hilft diesen Menschen. Außerdem ist Baldrian wichtig, weil sie Betroffenen dadurch leichter in den Schlaf kommen.“

Aber genauso wichtig, gerade im Winter für Menschen, die tagsüber und oft auch nachts auf der Straße leben, sind so genannte Wärmekissen. Die liegen entweder auf dem Rücken oder im Nackenbereich und schützen 24 Stunden lang vor den niedrigen Temperaturen. „Die Menschen fragen immer wieder nach den Wärmekissen“, sagt Ute Rastert. Auch für diese Kissen möchte die Stadtmission die Mittel verwenden.

Aber auch die Reinigung der Ambulanz wird dringend finanzielle Hilfe benötigt. „Wir haben hier ja Infektionskrankheiten“, sagt die Ambulanz-Leiterin. „Wir müssen unsere medizinischen und anderen Geräte mehrmals in der Woche desinfizieren, aber ebenso müssen die Pflegezimmer gründlich gereinigt und desinfiziert werden.“ Bis jetzt erledigen diese Arbeiten eine externe Firma und eine Tochtergesellschaft der Stadtmission, aber die muss die Ambulanz bezahlen. Rund 8000 Euro kostet die Reinigung in diesem Jahr. „Die Kosten dafür sind in letzter Zeit explodiert“, sagt Ute Rastert. Für 2026 werden es rund 10.000 Euro sein.

Generell aber benötigt die Stadtmission immer Männer-Unterwäsche, Socken, Hoodies, Shampoos oder Cremes. In einem der Pflegezimmer lebt gerade Michail, ein 42-jähriger Lette, der sich eine graue Wollmütze übergestülpt hat und auf einem Fensterbrett sitzt. Auch er deutet auf sein Bein. Ein unglücklicher Unfall. Als er auf der Treppe zur Notunterkunft gewartet hat, ist ein anderer Mann ins Stolpern gekommen und Michail unglücklich auf den Fuß gefallen. Seinen Nachnamen sagt
der Lette nicht.

Die Menschen fragen immer wieder nach den Wärmekissen.

Ute Rastert, Leiterin der Ambulanz

Jetzt kuriert er über den Sprechzimmern der Ambulanz seine Verletzung aus. Menschen, die eine Nachbehandlung benötigen,
die man nach der Sprechstunde nicht einfach wieder in die Kälte schicken kann, die werden hier versorgt. Zwischen drei Tagen und
drei Wochen dauert hier der Aufenthalt üblicherweise, aber es gab auch mal einen Patienten mit Lungenkrebs, der monatelang hier betreut wurde.

Die Stadtmission weist niemanden ab, weder in der Sprechstunde noch bei den Pflegezimmern. Notfalls wird auch noch der 31. oder 32. Patient behandelt. Und wenn alle Pflegebetten belegt sind, dann rufen die Ärzte bei der Caritas an und fragen nach einem freien Bett.

Aber einen besonderen Mangel hat die Stadtmission auch noch, doch der ist nicht mit Spendengeldern zu beheben. „Wir benötigen noch dringend weitere Ärzte, die bei uns ehrenamtlich mitarbeiten“, sagt Ute Rastert.

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