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Nahverkehr in Portland: Die Stadtbusse haben einen Träger für je zwei Fahrräder an der Front, die Mitnahme ist gratis.

© Stefan Jacobs

Fahrrad fahren in Portland: Ein amerikanischer Traum

Manche Metropolen sind deutlich fahrradfreundlicher als Berlin. In Portland im US-Bundesstaat Oregon haben längst nicht mehr nur Autofahrer eine starke Lobby.

Die fahrradfreundlichste Metropole der USA reicht bis ins Flughafengebäude: Im Portland International Airport gibt es neuerdings einen Montageplatz für Fahrräder. Die kommen nämlich unvermeidlich in Einzelteilen aus dem Flugzeug und wollen irgendwo zusammengebaut werden.

In Portland, der zwischen Seattle und San Francisco gelegenen Metropole des Westküstenstaates Oregon, gibt es dafür am Rande der Ankunftshalle nun einen überdachten Platz mit Montageständer wie im Fahrradladen. Werkzeug verleiht der Schalter des Tourismusbüros, eine Karte zeigt, wo der beschilderte Radweg in die City beginnt. Dazu ein Hinweis auf die S-Bahn als Alternative, die Fahrräder kostenlos mitnimmt.

Grüner als der Rest der autofixierten USA ist Oregon schon lange. Seit der Stadtrat der 600 000 Einwohner-Metropole Portland im Frühjahr 2010 das Radverkehrskonzept 2030 beschlossen hat, wird richtig geklotzt. Wichtigstes Projekt sind die – aus psychologischen Gründen von „Bicycle Boulevards“ in „Neighborhood Greenways“ umgetauften – Nebenstraßen, die unter weitgehender Vermeidung der sonst üblichen Rundum-Stop- Kreuzungen als Netz die gesamte Stadt durchziehen.

Zu den knapp 90 vollendeten Meilen sollen jährlich weitere 15 Meilen hinzukommen. Eine Sonderregelung erlaubt der Verwaltung, das Tempolimit von den sonst auf Nebenstraßen geltenden 25 Meilen pro Stunde (40 km/h) auf 20 Meilen (32 km/h) zu senken. Im Herbst wurde das erste Schild enthüllt.

Um die Akzeptanz bei den nicht radelnden Bürgern zu erhöhen, werden die Straßen mit Kleinkunst wie speziell gestalteten Schildern und Fahrradständern verziert. Insgesamt wurden mehr als 1200 Abstellplätze vor Läden und Restaurants installiert – zulasten von Autoplätzen. Weil in der stärker verdichteten City der Platz für ein Fahrradstraßennetz fehlt, wurden Radstreifen auf Straßen markiert.

Dass dafür meist eine Autospur geopfert werden musste, habe nur am Anfang Protest ausgelöst, berichtet Roger Geller, der als Fahrradkoordinator eine eigene Abteilung in der Stadtverwaltung leitet und auf Touren regelmäßig Politiker und Planer aus den ganzen USA zu seinen Werken führt.

Zu denen gehören ein im Fluss schwimmender Ponton-Radweg, weil am Ufer neben der Autobahn kein Platz war. Einzelne Ampeln haben Vorrangschaltungen und Diagonal-Querungen für Radfahrer. Schilder erinnern Rechtsabbieger an die Vorfahrt der Radler.

Neu ist eine Überholspur an der Auffahrt zu einer Brücke, damit nicht mehr der Langsamste alle Nachfolgenden ausbremst. Das Budget von jährlich mehr als sechs Millionen Dollar stammt anteilig aus der Kfz-Steuer. Viele Autobesitzer stocken es freiwillig auf: Für fünf Dollar extra pro Jahr gibt es ein Nummernschild mit aufgedrucktem Radler und dem Slogan „Share the road“ („Teile die Straße“)

Druck auf die Stadtverwaltung kommt vor allem von den Radlern.

Der Anteil des Radverkehrs liegt bei knapp 20 Prozent in der City. In den teils bergigen Außenbezirken ist es kaum halb so viel. 25 Prozent stadtweit sind das erklärte Ziel der Radverkehrsstrategie. Zum Vergleich: In den USA insgesamt liegt der Anteil seit langem bei einem Prozent.

Eine weitere Abteilung der Verkehrsbehörde animiert die Bürger zum Radeln: Ein Mitarbeiter gibt Theoriekurse, einer zeigt geeignete Routen und führt Thementouren, gibt Sicherheitstipps und verteilt Fahrradstadtpläne. Weitere kümmern sich gezielt um Frauen, Senioren und um Firmen, denen beispielsweise Steuervorteile winken, wenn ihre Angestellten zur Arbeit radeln. Und die Verkehrsgesellschaft Trimet zeigt in Videos auf Youtube auch Radlern, wie sie sich mit Bahnen und Bussen arrangieren.

Auch die Polizei fährt per Rad Streife – und kassiert bei Verstößen von allen Verkehrsteilnehmern gleich hohe Strafen von zumeist über 100 Dollar. „Es geht hier nicht nach Gewicht“, sagt ein Verkehrsplaner in Anspielung auf den in Deutschland üblichen Zehn-Euro-Tarif, der beispielsweise für kaputte Bremsen oder fehlendes Licht am Fahrrad gilt.

Inzwischen kommt der politische Druck auf die Stadtverwaltung weniger von der Autolobby, als von den Radlern, denen es nicht schnell genug geht. Der Journalist Jonathan Maus ist mit seinem Blog zu einer Mischung aus Lokalzeitung und Lobbyist geworden – indem er die Fakten berichtet und Stellungnahmen der Stadtverwaltung einholt. Nachdem er über einen zugeparkten Radstreifen berichtet hatte und seine Leser massenhaft eigene Erfahrungen beisteuerten, sagten Verwaltung und Polizei verstärkte Kontrollen zu.

Der Berliner Umgang mit demselben Phänomen – die Polizei verweist aufs Ordnungsamt und das winkt wegen chronischen Personalmangels ab – verblüfft Maus: „Wenn die Behörden hier so eine offizielle Auskunft geben würden, wären sie drei Tage lang durch wütende Anrufe von Bürgern lahmgelegt.“

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