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Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht waren zwei der bekanntesten Kämpfer im Spartakusaufstand im Januar 1919 in Berlin. Sie wurden am 15. Januar 1919 ermordet. Luxemburg wurde anschließend in den Landwehrkanal geworfen, Liebknecht zehn Tage später beigesetzt.

© pa

Demonstration auf dem Sozialistenfriedhof: Ein Hoch auf Karl und Rosa

Linke unter sich: Auf dem Sozialistenfriedhof wird wieder demonstriert - zur Erinnerung an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht..

Der eine kommt von links auf den Sozialistenfriedhof in Lichtenberg, der andere kommt etwas später, von noch etwas weiter links. Dann stehen sie in der Rotunde der „Gedenkstätte der Sozialisten“ vor der Büste Karl Liebknechts, der kalten Wind färbt ihre Gesichter rot, und hadern ein kleines bisschen miteinander: Läge hier, auf diesem Friedhof, auch Erich Mielke in einem Grab mit dem Namen auf dem Grabstein – es gäbe keinen gemeinsamen Förderkreis, keine Zusammenarbeit für die „Erinnerungsstätte der deutschen Arbeiterbewegung Berlin-Friedrichsfelde“, sagt der eine. Ach, das glaub’ ich nicht, erwidert der andere.

Der eine heißt Holger Hübner, ist Sozialdemokrat, hat lange die Berliner Senatspolitik begleitet und ist heute Vorsitzender des Förderkreises für den Sozialistenfriedhof. Der andere heißt Jürgen Hofmann, ist Professor, der Linkspartei verbunden, Schatzmeister des Förderkreises, macht Führungen über den Friedhof und erforscht dessen Geschichte, wo immer und so weit es geht.

Und so, wie sie miteinander reden, über den Stasi-Chef Mielke zum Beispiel, muss das wohl sein zwischen Sozialdemokraten und Linksparteileuten. Sozialdemokraten und Sozialisten waren und sind sich schließlich stets in Meinungsverschiedenheiten verbunden. Tatsächlich liegt Mielke auf dem großen Parkfriedhof, doch seine Urne ist in einem anonymen Feld begraben.

Auch andere Symbole an diesem Ort, etwa der Gedenkstein mit der Aufschrift „Den Opfern des Stalinismus“, haben für linke Demokraten eine andere Bedeutung als für linke Radikale. Von denen werden viele an diesem Sonntag ab 9 Uhr bei der jährlichen „Karl-und-Rosa“-Demonstration wieder ihren Unmut über das kleine Monument deutlich machen. Zumal die Maoisten und Noch-immer-Stalinisten stoßen sich gern an dem Stein.

Radikale müssen das Denken noch lernen

Was die Opfer des Stalinismus angeht – da sind sich Hübner und Hofmann einig. Manche sehr junge linke Radikale hätten das Denken noch nicht gelernt, bemerkt Hofmann sinngemäß, dann spricht er lieber über die Entstehung des mächtigen, aus Backstein gemauerten Runds, das 1951 auf Betreiben des SED-Mitbegründers und DDR-Staatspräsidenten Wilhelm Pieck eröffnet wurde. „Wissen Sie, wofür die Ritzen zwischen den Platten sind?“, fragt Hübner und weist auf den Steinboden und die schmalen Abstände zwischen den Platten. Durch die Ritzen wurde Warmluft hochgeblasen, damit die SED-Führung beim Gedenken nicht fror. Die dazu notwendigen Aggregate seien in der Steinrotunde untergebracht gewesen, sagt Hofmann.

Sozialisten, Kommunisten, DDR-Karrieristen

Seit 2006 haben die beiden miteinander zu tun. Damals entstand der Förderkreis für den Friedhof, der 1881 als städtischer Friedhof eröffnet worden war – städtisch im Unterschied zu konfessionell gebunden. Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, beide am 15. Januar 1919 verschleppt und ermordet, sind hier beerdigt worden, weil der Magistrat ihre Bestattung auf dem „Friedhof der Märzgefallenen der Revolution von 1848“ in Friedrichshain nicht wollte.

In der DDR wurde der Sozialistenfriedhof zur Kult- und Weihestätte für viele verdiente Sozialisten, Kommunisten und manchen DDR-Karrieristen. Hübner und Hofmann verweisen gern auf Paul Singer. Der war den Gründern und Vordenkern der SPD eng verbunden – und engagierte sich im „Berliner Asylverein für Obdachlose“, wie es auf der Internetseite des Förderkreises heißt.

Eine Geschichte voller Widersprüche

Zu dessen Arbeit habe 2006 erstmals die Sicherung des Friedhofs mit der Gedenkstätte gehört, sagt Hübner, der den Ort „aus stadthistorischem Interesse“ noch zu DDR-Zeiten kennengelernt hat. Jetzt, sagt Hofmann, befasse man sich mit der biografischen Forschung. In der Gedenkstätte und in einem weiteren Gräberfeld auf dem Gelände befinden sich Hofmann zufolge hunderte Urnen von Opfern des Nationalsozialismus. Deren Lebensdaten versuchen Hofmann und andere zu ermitteln. Da stoßen man „auf viele tragische und sehr verworrene Schicksale“, sagt Hofmann.

Dann blickt er über den Friedhof und sagt: „Hier werden viele Widersprüche deutlich – und das ist ja das eigentlich Interessante an Geschichte: die Widersprüche.“

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