Berlin: Ein Zaun zum Zwecke der Erziehung
Sollen für junge Kriminelle geschlossene Heime geschaffen werden?
Anfang der 90er Jahre schaffte Berlin geschlossene Heime für auffällige Jungkriminelle ab. Doch seitdem ein 16-Jähriger in Zehlendorf einen sieben Jahre alten Jungen getötet hat, wird erneut darüber diskutiert, ob Berlin nicht wieder welche bräuchte. Einige Bundesländer sehen zwischen den Angeboten des Jugendamtes und dem Jugendgefängnis eine Lücke, sie haben daher ihre Heime entweder beibehalten – wie Baden-Württemberg und Bayern, wo es die Hälfte der bundesweit insgesamt rund 200 Plätze gibt. Oder sie haben neue Heime geschaffen – wie Hamburg vor gut zwei Jahren. Oder sie hatten es zumindest vor – wie Niedersachsen. Dort hat sich Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) gegen neue geschlossene Heime entschieden. Aber nicht wegen grundsätzlicher Bedenken, sondern weil die Landeskassen leer sind.
Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg: Ein Blick auf die politische Landkarte zeigt, dass es geschlossene Heime für Straftäter im Kindes- oder Jugendalter vor allem in jenen Ländern gibt, in denen CDU oder CSU regieren. Nicht so in den neuen Bundesländern. Dort hält man auf Grund der Erfahrungen mit Heimen zu DDR-Zeiten grundsätzlich nichts von solchen Einrichtungen.
In Hamburg dagegen löste die Union nach dem Machtwechsel ihr gemeinsames Wahlversprechen mit der Schill-Partei ein – gegen den Protest von Organisationen und Vereinen. Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) schwärmte damals, künftig könne man „zügig, konsequent und mit der gebotenen Härte“ auf das kriminelle Verhalten gerade von gefährlichen Minderjährigen reagieren. Die Senatorin sei mit der Einrichtung „sehr zufrieden“, sagt ihre Sprecherin jetzt.
In der Hansestadt statten die Mitarbeiter eines „Familien-Interventionsteams“ nach schweren Gewalttaten der Familie des Delinquenten einen Hausbesuch ab. Die Familien sollen mithelfen, dass die Kinder Hilfsangebote annehmen. Klappt das nicht, stellt der Beratungsdienst einen Antrag beim zuständigen Gericht – auf ein Ermahnungsgespräch oder sofort auf geschlossene Unterbringung. Dort ist der Tagesablauf streng geregelt: Kinder müssen innerhalb der Einrichtung die Schule besuchen, Jugendliche gehen auf dem abgeschirmten Gelände zur Schule, Ausbildung oder Arbeit. Die Minderjährigen können sich mehr individuelle Freiheiten erarbeiten, wenn sie sich gut entwickeln. Zuletzt aber ist das Heim in die Kritik geraten, weil junge Delinquenten auffallend häufig ausbrachen. Und die Staatsanwaltschaft beschäftigt die Frage, ob der Umgang mit den Minderjährigen rechtlich immer korrekt war.
In Berlin hat sich die CDU zuletzt vor zwei Jahren dafür eingesetzt, für mehrfach straffällig gewordene Kinder und Jugendliche geschlossene Heime zu schaffen. Die übrigen Fraktionen im Abgeordnetenhaus lehnten den Antrag ab.
Auf zwei in der Debatte oft ignorierte Aspekte weist eine Studie des deutschen Jugendinstituts in München hin: Geschlossene Heime unterschieden sich in der Praxis deutlich. Manche ähnelten einem mit viel Elektronik gesicherten Gefängnis, andere einem offenen Heim. Und: Den etwa 200 Heimplätzen stünden tausende Intensivtäter gegenüber. Schon deshalb lasse sich das Problem mit schwer kriminellen Jugendlichen nicht durch geschlossene Heime lösen.
Marc Neller