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Andreas Zandonai backt mit Leidenschaft. Das schätzen seine Stammkunden besonders.

© Verena Eidel

Berliner Originale: Einer der letzten seiner Art

Andreas Zandonai ist ein Bäcker der alten Schule. Seine Bäckerei in Moabit ist mehr als nur ein Verkaufsraum. Teil 2 der Serie "Stadtmenschen am Sonntag".

Zum Beispiel der Berliner Knüppel. Den Knüppel, sagt Andreas Zandonai, den lernt heute eigentlich kein Mensch mehr. Der sieht auf den ersten Blick wie eine zu flach geratene Schrippe aus, ist aber ein Milchbrötchen. „Erst muss man mit beiden Handballen drücken – so“, Andreas Zandonai drückt die Hände gegen den Tisch, als wäre er ein weicher Teig, „dann wird er gewendet, wieder gedrückt und am Schluss gerollt. Am Ende muss er eben aussehen wie ein Knochen.“

Der Bäckermeister steht in seinem Laden in der Elberfelder Straße 2, den er seit fast 20 Jahren führt. Draußen fegt der eisige Schneeregen über die Moabiter Kopfsteinpflasterstraße. Drinnen im kleinen Verkaufsraum herrscht eine gut gelaunte, beinahe familiäre Stimmung, ein bisschen wie auf einem Dorfmarktplatz. Es scheint, als zögerten alle den Augenblick hinaus, wieder weiterzumüssen, und hielten lieber noch ein Schwätzchen miteinander.

Eine feste Konstante im Leben seiner Kunden

Andreas Zandonai kennt, das kann er ohne lange zu zögern sagen, fast jeden, der bei ihm einkauft. „Ich würde diesen Ort, den ich aufgebaut habe, gegen keinen Ort auf der Welt eintauschen.“ Und die Leute kommen eben nicht nur wegen der geflochtenen Brötchen namens Knoten und der zwölf Brotsorten, und sie kommen auch nicht nur wegen der unzähligen frisch gebackenen Eclairs, Puddingtaschen, Amerikaner, Streuselschnecken, Schweineohren, Blechkuchen – sondern sie kommen eben auch, weil sie ihren Bäcker kennen und mögen.

Es gibt viel Händeschütteln, Schulterklopfen und kleine Gespräche: „Wie geht’s der Mutter?“ – „Seid ihr gut reingekommen?“ Und eine empörte Stimme: „Das geht doch nicht: Erst macht er mich süchtig und dann das: Heute keine Rumkugeln!?“ Zandonai erklärt, dass der Konditor im Urlaub sei und er daher Brote, Brötchen und Gebäcke die Tage über alleine schaffen müsse. Aber er denke dran und morgen werde es dann wieder Rumkugeln geben. Alle lachen. Der Laden ist eine feste Konstante in ihrem Leben geworden.

286 Kilo Dominosteine, von Hand getaucht

„Das ist das Besondere, die Leute wissen eben, wer hier die Brötchen backt, und sie wissen, wen sie fragen können, was drin ist.“ Und damit ist Andreas Zandonai einer der Letzten seiner Art. Denn in ganz Moabit gibt es keinen einzigen weiteren Bäcker mit Backstube – aber in zehn Minuten Laufweg gleich 16 Backshops. Andreas Zandonai hat sie gezählt. Und was noch schlimmer sei, als dass viele Menschen kein gutes Brot mehr essen – eine ganze Tradition gehe verloren: Denn wenn er diese Backstube damals nicht hätte übernehmen können mit all den Maschinen, Öfen und dem Verkaufsraum, dann hätte er sich die Selbstständigkeit nie leisten können.

Und bei jeder Backstube, die schließe, gehe auch das Brotbacken Stück für Stück verloren. Es sei natürlich auch sehr schwer, Auszubildende zu finden, die bereit sind, sechs Tage die Woche um 3 Uhr nachts zur Arbeit anzutreten. Aber Zandonai ist kein Mensch, der lange betrübt sein kann. Er führt den langen Flur zur Backstube entlang und ruft über die Schulter. „Hier sind die Formen für die Dominosteine. 286 Kilo haben wir Weihnachten gemacht – und alle von Hand getaucht!“ Dann geht es weiter, er hebt ein rundes Brot aus einem der blauen Körbe, die sich hier bis zur Decke stapeln: „Das ist unser König Ludwig! Wie? Sie wollen noch mehr Zahlen? Eine hätte ich noch: 4800 Pfannkuchen gingen Silvester hier über die Theke!“ Er wirkt sehr zufrieden in diesem Moment.

Es scheint, dass der Zufall, der ihm beschied, Bäcker zu werden, einen Volltreffer gelandet hat. Es war seine Frau, die damals in einer Bäckerei arbeitete und, als eine Lehrstelle frei wurde, entschied: „Das machst du jetzt!“ Da war er 19 Jahre alt.

Im Urlaub sucht er sich Inspiration

„Es sind wieder mehr Leute heute, die ein gutes Brot zu schätzen wissen.“ Die Stammkunden kämen aus fast allen Bezirken. „Und die sind eben auch bereit, ein bisschen mehr dafür zu zahlen.“ Er müsse seine Preise eben kalkulieren. Dafür gibt es auch immer wieder etwas Neues. Denn was macht ein Meisterbäcker im Urlaub? Natürlich in Bäckereien Brote probieren und mit vielen neuen Ideen zurückkehren! Zum Beispiel brachte er aus dem letzten Urlaub den Anstoß für das Frühlingsbrot mit, das ihm in diesem Jahr vorschwebt: ein Bärlauchbrot. „Vielleicht mit Speck?“, überlegt Andreas Zandonai laut: „Denn ein Kräuterbrot mit Speck, das ist doch das Beste, was es gibt. Da braucht man dann eigentlich gar nichts mehr dazu, oder?“

Von den Autorinnen erschien bereits: "111 Berliner, die man kennenlernen sollte", Emons Verlag, 230 Seiten, 16,98 Euro. Nun begeben sich Lucia Jay von Seldeneck und Verena Eidel für uns auf die Suche nach noch mehr Berlinern. Bisher erschienen: Lizzy Scharnofske, das lebende Schlagzeug.

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