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Immer wieder verschwinden Dienstwaffen bei der Berliner Polizei.

© Swen Pförtner/dpa

Exklusiv

Elfter Fall seit 2010: Erneut Schusswaffe bei der Berliner Polizei verschwunden

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Diebstahls. Berlin verfolgt nun ein neues Sicherungskonzept.

Erneut ist bei der Polizei Berlin eine Schusswaffe abhanden gekommen – seit 2010 ist es inzwischen der elfte Fall. Das geht aus einer Antwort von Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten June Tomiak hervor.

Demnach war die Dienstpistole auf dem Süd-Kreuzberger Polizeiabschnitt 52 im Einsatz und dort als verloren gemeldet worden. Es handelt sich um eine Pistole Sig Sauer P6. Der Verlust fiel Ende Juli 2020 auf, die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Diebstahl aus einem Polizeigebäude. Die Waffe wurde nicht wiedergefunden, das Ermittlungsverfahren eingestellt.

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Damit sind seit 2010 insgesamt sechs Dienstwaffen der Berliner Polizei spurlos verschwunden und könnten von Kriminellen für schwerste Straftaten genutzt werden. Nur fünf Waffen sind wiedergefunden worden. Zum neuesten Fall erklärte Tomiak: „Ich hoffe, der Verbleib kann ermittelt und die Waffe sichergestellt werden. Die regelmäßigen Verluste von Dienstwaffen sind nicht hinnehmbar, jede verlorene Waffe ist eine zu viel.“

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Bei zehn der elf verloren gegangenen Dienstwaffen handelt es sich um das Modell P6 von Sig Sauer. In einem Fall aber geht es um eine Maschinenpistole samt 120 Patronen: Die Kriegswaffe MP7 von „Heckler & Koch“ ist in der Polizei vorgesehen für den Anti-Terror-Kampf und kann selbst leichte Schutzwesten durchschlagen.

Die Staatsanwaltschaft Berlin hat die Ermittlungen zu dem Fall „nach Ausschöpfung aller Ermittlungsansätze“ eingestellt. „Dass die Ermittlungen zur verschwundenen MP7 des SEK ohne jegliche neue Informationen eingestellt sind, ist mehr als unbefriedigend“, sagte Tomiak dem Tagesspiegel. „So eine Kriegswaffe stellt eine Gefahr für die Bevölkerung und auch die Einsatzkräfte dar.“

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Aus gutem Grund sei der Besitz und die Nutzung dieser Waffen hart reglementiert. „Dass weiterhin nicht klar ist, wie die Waffe entwendet werden konnte oder verloren gegangen ist, bedeutet in der Konsequenz, dass das Sicherheitsproblem im Zweifel weiter besteht“, erklärte die Grünenpolitikerin.

Die MP7 war allen Truppmitgliedern zugänglich

Bei einer „anlassunabhängigen Bestandsprüfung“ am 1. November 2018 war aufgefallen, dass die MP7 samt Munition und Zubehör in einem Waffenlager des Spezialeinsatzkommandos (SEK) fehlte. Auch andere Liegenschaften und Orte wurden abgesucht, Beamte befragt. Die MP7 war nicht einem Beamten zugeordnet, sondern eine sogenannte Gruppenwaffe, die allen Mitgliedern eines SEK-Trupps zugänglich war.

Als Konsequenz aus dem Verlust war 2019 eine Arbeitsgruppe angekündigt worden. Die soll Vorschläge machen, wie die Waffen sicherer aufbewahrt werden können. Jetzt – fast zwei Jahre später – erklärte die Innenverwaltung, die Polizei Berlin habe ein neues Sicherungskonzept erarbeitet, es „befindet sich derzeit in der ersten Phase der Umsetzung“. Einzelheiten nannte die Polizei nicht.

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Einige Fälle verlorener Waffen sind durchaus kurios. 2010 war bei einem Wohnungseinbruch bei einem Mitarbeiter des Zentralen Objektschutzes eine P6 gestohlen worden. Nach neun Jahren tauchte sie wieder auf: Bei einer Personen- und Gepäckkontrolle am Flughafen Hamburg am 3. Oktober 2019 .

Drei weitere P6 sind von 2011 bis 2013 durch Diebstahl aus einem Dienstfahrzeug oder bei Wohnungseinbrüchen gestohlen worden. Alle sind verschwunden, ebenso eine Pistole, die 2017 samt Tasche eines Objektschützers auf einem S-Bahnhof gestohlen wurde. In drei Fällen in den Jahren 2013 und 2014 wurden die Pistolen wiedergefunden.

Ein Beamter vergaß etwa seine Pistole auf der Toilette einer Tankstelle, ein anderer auf der Toilette des Abschnitts 65 und im anderen Fall wurde in einen zivilen Dienstwagen eines Observationsteams des Landeskriminalamtes eingebrochen. Polizeitaucher fanden sie in der Spree.

Einer der spektakulärsten Fälle ereignete sich in Leipzig. Dort hatte ein Beamter im August 2016 bei einem Schichtwechsel seine Maschinenpistole MP5 auf das Dach des Einsatzwagens gelegt. Dann wurden die Polizisten zu einem Raubüberfall an einer Tankstelle alarmiert. Die Beamten rasten los mit der Waffe auf dem Dach, danach war die MP5 verschwunden.

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