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Die Truppe um Andreas Neu (nicht im Bild) spielt Goldonis Komödie „Mirandolina“, auf Deutsch bekannt als „Die Wirtin“.

© Kai-Uwe Heinrich

Ensemble „Shakespeare2Go“: Theater für die Hosentasche

Sie haben keine Stammbühne, keine Garderobe und keinen Requisitenfundus: Das Ensemble Shakespeare2Go wandert von Bühne zu Bühne.

Eigentlich sind es zwei Dinge, die nicht zusammenpassen: filigranes Theaterspiel und eine typische Berliner Bar, etwas schäbig und eigentlich vor Sonnenuntergang nicht übermäßig frequentiert. Aber vielleicht ist die Bar „Zum schmutzigen Hobby“ auf dem RAW-Gelände in Friedrichshain genau die richtige Bühne für das Ensemble Shakespeare2Go.

„Wir können überall spielen und vor jedem Publikum“, erklärt Andreas Neu. Der 61-Jährige ist Schauspiellehrer, Regisseur und Gruppen-Vater. Vor zwei Jahren hat er die heute neunköpfige Theatertruppe ins Leben gerufen. „Wir bringen das Theater back to the roots“, erklärt er. Eine umherfahrende Schauspieltruppe ist kein Novum, aber heutzutage schon etwas Außergewöhnliches.

Dieses Theater hat keine Stammbühne, keine Garderobe und keinen Requisitenfundus – dafür pures Schauspiel. Die Darsteller ziehen von Bühne zu Bühne, und für jeden Ort gibt es ein neues Programm, denn Plot und Umgebung sollen zueinanderpassen.

Als Sommerstück steht „Miranda oder Total Eclipse of the Heart“ auf dem Spielplan. Eine Adaption von Carlo Goldonis Komödie „Mirandolina“, uraufgeführt 1753. Es erzählt von Miranda, einer jungen Frau, die das Hotel ihres Vaters erbt und sich nun mit zuweilen schrulligen oder flirtlustigen Gästen herumschlagen muss.

Alle wollen einmal von der Schauspielerei leben können

„Das Stück spielt wie in der Originalfassung in einem Hotel, die Baratmosphäre kommt genau richtig“, sagt Tobias Neumann. Schließlich sei auch eine Hotellobby ein Ort voller Gäste, immer trubelig. Der junge Mann ist eines von nur zwei männlichen Ensemblemitgliedern – alle haben eine Schauspielausbildung hinter sich oder sind noch mittendrin.

Tobias Neumann ist eigentlich gelernter Logopäde, das Schauspiel habe er erst später für sich entdeckt, so der heute 25-Jährige. Da die Einnahmen aus der Schauspielerei aber noch nicht reichen, um davon seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können, arbeitet er auch heute noch halbtags in einer logopädischen Praxis. Für mehr hätte er auch keine Zeit: die Gruppe trifft sich mindestens dreimal in der Woche zum Proben. Die Stücke sind für niemanden hier ein Hobby, alle wollen einmal von der Schauspielerei leben können.

Shakespeare2Go hat bereits sieben Projektstücke auf die Bühne gebracht, einige Akteure haben die Truppe inzwischen wieder verlassen, andere kamen hinzu. Ein weiterer männlicher Mitspieler wäre sehr willkommen. Bis dahin werden einfach Hosenrollen vergeben - so nennt die Fachsprache es, wenn eine Frau eine männliche Rolle verkörpert und dafür in eine Hose schlüpft.

Einmal trat die Gruppe in einem Flugzeugmotoren-Prüfstand auf

Die Truppe ist offen für Mitspieler und auch für neue Locations und Projekte. Dass sie auch ungewöhnliche Orte bespielen können, haben sie jedenfalls schon unter Beweis gestellt. „Wir sind schon in Adlershof in einem Flugzeugmotoren-Prüfstand aufgetreten“, erinnert sich Tobias Neumann. „Natürlich waren die riesigen Turbinen während der Vorstellung nicht in Betrieb.“

Gegen diesen Lärmpegel wäre wohl selbst die Shakespeare2Go-Truppe nicht angekommen. Hier im Sommergarten der Bar zum schmutzigen Hobby, umrahmt vom RAW-Partytrubel, wird es auch nicht gerade leise zugehen, aber das sei ja gerade die Herausforderung.

Nicht jeder kommt in die Bar, um Theater zu sehen

Draußen zu spielen sei immer etwas Besonderes, so Schauspiellehrer Andreas Neu. „Da muss ein Schauspieler ganz anders sprechen, anders artikulieren.“ Außerdem müsse man immer mit Wetterkapriolen oder auch mit überraschtem Publikum rechnen. Schließlich kommt nicht jeder in die Bar, um das Theaterstück zu sehen.

Aber auch von denen, die unvorbereitet auf Shakespeare treffen, blieben die meisten hängen, sagt Neu. Und für das klassische Theaterpublikum zu spielen, wäre ja auch zu einfach. Wer sich das Stück nicht entgehen lassen möchte, hat nur in der kommenden Woche Gelegenheit, es sich anzusehen. Dann wandert das Theater weiter.

Premiere: Samstag, 29. Juni. Einlass 20.30 Uhr, Beginn 21.00 Uhr, Eintritt auf Spendenbasis. Weitere Termine: Sonntag, 30.06., Montag, 01.07., Dienstag, 02.07. und Donnerstag 04.07., jeweils 20.30 Uhr in der Bar Zum schmutzigen Hobby, Revaler Straße 99, Tor 2

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