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Der ZDF-Moderator Jan Böhmermann.

© Christophe Gateau/dpa

Ermittlungen zum „NSU 2.0“: Daten von Jan Böhmermann an Berliner Polizeicomputer abgerufen

Hessens Justizministerin teilt mit, dass bei der Berliner Polizei auf Daten des Moderators zugegriffen wurde. Danach tauchte seine Adresse in einem Drohbrief auf.

Die Ermittlungen zu rechtsextremen Drohbriefen mit der Signatur „NSU 2.0“ haben einen weiteren merkwürdigen Vorgang zutage gefördert. Von einem Berliner Polizeicomputer sind Ende Juli unbefugt persönliche Daten des ZDF-Moderators Jan Böhmermann abgerufen worden. Wenige Tage später tauchte Böhmermanns Privatadresse in einem Drohschreiben auf, wie die „Frankfurter Rundschau“ (FR) berichtet.

Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) habe demnach am Donnerstag im Innenausschuss des Landtags in Wiesbaden über die illegale Datenabfrage bei der Berliner Polizei berichtet. Diese sei am 25. Juli 2020 erfolgt. Der FR liegt nach eigenen Angaben ein „NSU-2.0“-Drohbrief vom 1. August vor, in dem Böhmermanns Adresse zu finden. Die E-Mail selbst sei dabei nicht an Böhmermann, sondern andere Empfänger gegangen.

Die Ministerin machte im Ausschuss allerdings keine Angaben zu der Frage, ob die Daten aus Berlin in einem Drohschreiben gegen Böhmermann aufgetaucht seien. Der FR-Bericht enthält auch keine näheren Informationen darüber, welche Daten über den Polizeicomputer abgerufen worden sind - und ob die Adresse dabei war.

Einen ähnlichen Vorgang hatte es in Berlin bereits am 5. März 2019 gegeben, als persönliche Daten der Kabarettistin İdil Baydar ohne erkennbaren dienstlichen Grund an einem Polizeicomputer abgefragt worden waren. Auch Baydar hatte kurz darauf ein Drohschreiben mit dem Absender „NSU 2.0“.

Datenschutzbeauftragte zweifelt Aufklärungswille der Polizei an

Berlins Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk hatte zudem vor einem Monat über unerlaubte Datenabfragen im Zusammenhang mit rechtsextremen Morddrohungen berichtet - und zugleich eine mangelhafte Bereitschaft der Polizei kritisiert, den Vorgang aufzuklären. Offenbar ging es um Daten von Opfern der Anschlagsserie in Neukölln.

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Die Serie der Drohungen mit dem Logo „NSU 2.0“ begann im August 2018 mit gefaxten Hassparolen gegen die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz und ihre Familie. Ermittlungen führten zu illegalen Datenabfragen bei der Frankfurter Polizei und rechten Chatgruppe Frankfurter Polizisten. Weitere Empfänger von „NSU-2.0“-Drohmails waren etwa der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, die hessische Linken-Fraktionschefin Janine Wissler und die neue Linken-Fraktionschefin in Berlin, Anne Helm.

Bei keiner der Spuren konnte bislang ein Zusammenhang mit den Drohschreiben eindeutig nachgewiesen werden. Im Juli nahmen die Ermittler einen bayerischen Ex-Polizisten und seine Frau fest, doch auch hier ließ sich der Verdacht nicht erhärten. Nicht ausgeschlossen ist zudem, dass zum Teil Trittbrettfahrer Mails mit der Signatur verschickt haben, die auf die Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ Bezug nimmt. (Tsp)

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