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Was geschah in der Wuhlheide? Nun gibt es ein weiteres Urteil.

© dpa

Wuhlheide-Prozess: Erneut Bewährung für Missbrauch bei Parkeisenbahn

Der Missbrauch, so scheint es, hatte System. Ein 45-Jähriger gestand sexuelle Übergriffe bei der Parkeisenbahn in der Wuhlheide - und wurde nun zu 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

Junge Freizeit-Lokführer bildete er in der Wuhlheide aus. Jetzt saß Thomas W. als Angeklagter vor einem Amtsgericht. Es ging um den Missbrauchsskandal bei der Parkeisenbahn. Der 45-Jährige ist einer von sieben Männern, die sich jahrelang an Jungen vergriffen haben sollen. Sechs Taten wurden Thomas W. vorgeworfen. Er gestand über seinen Verteidiger, er entschuldigte sich bei seinem Opfer. Die Richter verhängten wegen Missbrauchs von Schutzbefohlenen eine Strafe von 18 Monaten Haft auf Bewährung. Zudem soll er an den inzwischen 19-jährigen Geschädigten 500 Euro zahlen.

Thomas W., ein blasser Mann mit Oberlippenbart und Haarkranz, rührte sich kaum. Er starrte zum Richtertisch, während der Verteidiger eine Erklärung verlas. Als Mitarbeiter der Parkeisenbahn habe er „das Vertrauen des Jungen missbraucht und dessen Neugier ausgenutzt“, hieß es darin. Seitdem die Vorwürfe bekannt sind, bemühe sich W. um eine Therapie. Das sei aber nicht einfach. Es war ein volles Geständnis in ein paar Sätzen. Fragen wollte W. nicht beantworten. Viele blieben offen.

Die Anlage in Köpenick ist als Idyll für Hobby-Eisenbahner bekannt. Fahrkarten verkaufen, Züge abfertigen, Strecken kontrollieren, Signale stellen – dies können Kinder und Jugendliche mit Unterstützung vor allem ehrenamtlicher Helfer erlernen. Generationen sind seit dem Start in den 1950er Jahren in der „Pioniereisenbahn“ mitgefahren. Heute wird die Parkeisenbahn als gemeinnützige Gesellschaft geführt und als freier Träger der Jugendhilfe jährlich mit 15 800 Euro vom Senat gefördert. Von der dunklen Seite bei der Schmalspurbahn erfuhr die Öffentlichkeit im letzten Oktober, als einer der ehrenamtlichen Mitarbeiter wegen sexuellen Missbrauchs vor Gericht stand.

Daniel P. hatte damals 47 Taten gestanden. Er missbrauchte sieben Jungen, die ihm bei der Parkeisenbahn anvertraut waren. Jahrelang blieb er unbehelligt. Seine Missbrauchsserie begann im Februar 2000 und endete erst Ende 2008. Daniel P. war bei seinem ersten Übergriff während einer Bahnfahrt durch den Wald erst 15 Jahre alt. Er ist vermutlich früher selbst missbraucht worden. Von Hobby-Eisenbahnern. Der Mann aus Friedrichshain wurde zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Bereits im Juni 2011 hatte ein früherer leitender Mitarbeiter der Parkeisenbahn einen Strafbefehl über neun Monate Haft auf Bewährung akzeptiert. Gegen vier weitere Beschuldigte steht noch ein Prozess bevor.

Der Missbrauch, so scheint es, hatte System. Die Täter nutzten die Struktur des Vereins und mangelnde Kontrollen. Thomas W., der gestern auf der Anklagebank saß, war Lehrlokführer. Er nahm den Teenagern, die auf den Führerstand wollten, die Prüfungen ab. Die Anwältin des Opfers sprach von Abhängigkeit, auch von Respekt und „der Sorge, nicht mehr bei dem Hobby bleiben zu können“. Der Staatsanwalt sah eine „Verkettung extrem ungünstiger Zufälle“.

Es war die Schwester eines Opfers, die mit einer Anzeige 2010 die Ermittlungen ins Rollen brachte. Eines der Opfer taucht in allen Verfahren auf. Möglicherweise wurde der Junge „weitergereicht“. Thomas W. hätte vielleicht etwas dazu sagen können. Doch dazu gab es keine Erklärungen. Der heute 19-Jährige saß als Nebenkläger mit im Saal. Der Angeklagte sah den jungen Mann, der mit seiner Mutter gekommen war, nicht an. Mit dem Geständnis aber ersparte W. dem Opfer eine Aussage im Prozess.

Das sei ihm „sehr, sehr strafmildernd anzurechnen“, waren sich Staatsanwalt und Richter einig. „Wir hätten sonst bis Weihnachten verhandeln können, wenn er sich quergestellt hätte“, sagte der Ankläger. Viel Entlastendes wurde aufgelistet. Dass Thomas W. mediale Berichterstattung über sich ergehen lassen musste, dass er seinen Job verlor. Sechs Mal hatte er das Opfer befummelt. Es waren Übergriffe, die der Junge „freiwillig unfreiwillig“ über sich ergehen ließ. Das Urteil gegen W. liegt im Rahmen dessen, was in ähnlichen Verfahren verhängt wird.

Fest steht, dass im Verein zu wenig hingesehen wurde. „Auch vom Bezirksamt“, kritisierte der Verteidiger. „Man muss sich kümmern“. Das soll jetzt geschehen. Um für Transparenz zu sorgen, richtet die Senatsjugendverwaltung einen „Runden Tisch“ ein. Der frühere Bezirksbürgermeister Klaus Ulbricht (SPD) wurde als „Beauftragter für den Aufarbeitungs- und Weiterentwicklungsprozesses bei der Parkeisenbahn“ gewonnen. Am heutigen Mittwoch will er seine Pläne vorstellen.

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