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Ermittler am Tatort im Berliner Tiergarten

© Reuters/Fabrizio Bensch

Erschossener Georgier in Berlin: Kalter Krieg reloaded

Vermutlich steckt Moskau hinter dem Attentat auf Zelimkhan K. in Moabit. Die Bundesrepublik sollte von Russland Aufklärung einfordern. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Frank Jansen

Der Fall wirkt wie Kalter Krieg reloaded: Ein russischer Killer mit Perücke nähert sich am helllichten Tag in Berlin-Moabit  mit einem Fahrrad seinem Opfer. Mit einer kleinen, gut zu versteckenden Pistole schießt er dem Mann in den Kopf, radelt weiter und entsorgt Waffe und Perücke in der Spree. Das sei „alter James Bond“, sagen Sicherheitsexperten. Doch der Fall ist vermutlich eines der politisch brisantesten Verbrechen des Jahrzehnts.

Deutsche Behörden nennen als wahrscheinliches Szenario, dass es sich bei dem Mord um eine Tat im Auftrag eines russischen Geheimdienstes handelt oder – da das Opfer Zelimkhan K. sich für die Freiheit Tschetscheniens eingesetzt hat – im Auftrag von Ramsan Kadyrow, dem Despoten in der autonomen russischen Unruheprovinz. Die deutsche Politik sollte Moskau dennoch drängen, sich an der Aufklärung zu beteiligen. Stellt Präsident Wladimir Putin sich taub, wäre eine Drohung mit weiteren Sanktionen angebracht. Autoritäre Regime verstehen oft nur eine Sprache.

Der Fall erinnert sehr an den Anschlag des russischen Militärgeheimdienstes GRU auf den einstigen russischen Geheimdienstoffizier Sergej Skripal im englischen Salisbury. GRU-Agenten versuchten im März 2018, Skripal und dessen Tochter mit dem Nervengift Nowitschok zu töten, was beide überlebten. Die britische Regierung war zu Recht empört, die EU und die USA verhängten Sanktionen gegen diverse Einzelpersonen und froren Vermögen ein.

Bereits 2006 hatten mutmaßliche Agenten des russischen Geheimdienstes FSB in London ihren früheren Kollegen Alexander Litwinenko mit dem hochtoxischen Polonium vergiftet. Dass das Putin-Regime über hohe kriminelle Energie verfügt, zeigen nicht nur die Attentate in England, das zeigen auch die brutale Kriegführung in Syrien, der Raub der Krim, die Invasion im Osten der Ukraine, die Cyberattacken auf Ziele im Ausland, darunter der Bundestag. Dass der Mord an Zelimkhan K. nicht zu dieser Serie gehören soll, ist schwer vorstellbar.

Warnung an weitere Oppositionelle

Hinzu kommt eine Giftattacke auf K. von 2009, die die georgischen Sicherheitsbehörden verhindert haben. Auch in dem Fall war zu vermuten, dass russische Nachrichtendienste oder Kadyrow daran beteiligt sind. Zelimkhan K., ein tschetschenischer Georgier, kämpfte an der Seite tschetschenischer Rebellen und unterstützte Georgiens Präsident Micheil Saakaschwili, der sich mit Moskau anlegte und in einem kurzen Krieg gegen die Russen scheiterte. K. soll Saakaschwili auch geholfen haben, als der in die Ukraine übergesiedelt war und die Region Odessa regierte.

Das könnte für Russlands Nachrichtendienste und Kadyrow gereicht haben, um selbst in Deutschland die klassische Methode im Umgang mit lästigen Gegnern anzuwenden: aufspüren und liquidieren, auch als Warnung für alle anderen Oppositionellen in Russland.

Natürlich gilt auch in diesem Fall die Unschuldsvermutung. Bewiesen ist nichts. Der verhaftete Tatverdächtige Wadim S. schweigt. Aber dass er nach Berlin gereist ist, um aus privaten Gründen Zelimkhan K. zu töten, ist höchst unplausibel.

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