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Berlin: Erstes Pflegeheim für türkische Senioren

Modellprojekt für fünf Millionen Euro. Kosten sollen geringer sein als in den bestehenden Häusern

Nach drei Jahren Diskussion und Planung ist es jetzt amtlich: Berlin bekommt ein Pflegeheim für türkische Senioren. Es ist das erste Projekt dieser Art in Deutschland. Gestern wurde zwischen der Türkischen Gemeinde Berlin und der Marseille-Kliniken AG ein Kooperationsvertrag unterzeichnet. Bis Ende 2006 soll ein ehemaliges Arbeiterwohnheim in der Kreuzberger Methfesselstraße zu einem Pflegeheim umgebaut werden. Geplant sind 171 Betten und 90 Arbeitsplätze. Investiert werden rund fünf Millionen Euro.

„Berlin ist der optimale Standort für dieses Pilotprojekt“, sagt Marseille-Vorstandschef Axel Hölzer. Die Stadt beheimatet die größte türkische Gemeinde in Deutschland. Die erste Einwanderergeneration ist inzwischen im Rentenalter. Gleichzeitig lösen sich die traditionellen Strukturen der türkischen Großfamilie langsam auf. Nur wenige ältere Türken fühlen sich in deutschen Pflegeheimen wohl. Die kulturellen Unterschiede – Sprache, Religion, Ess- und Trinkgewohnheiten – sind zu groß. „Wir wollen mit dem Projekt eine soziale Lücke schließen“, sagt Celal Altun, Generalsekretär der Türkischen Gemeinde.

Wenn das Pflegeheim in Berlin gut angenommen wird, sollen auch in anderen Ballungsräumen ähnliche Häuser eingerichtet werden. Die Türkische Gemeinde berät die Marseille AG bei der organisatorischen Planung und beteiligt sich mit 20 Prozent an der gemeinnützigen Betriebs-GmbH des Pflegeheims.

Weil viele Türken eine kleine Rente beziehen, sollen die Heimkosten niedrig gehalten werden – etwa 15 bis 20 Prozent unter dem üblichen Niveau, also zwischen 2000 und 2500 Euro. Ausstattung und Serviceleistungen würden etwa einem Zweisternehotel entsprechen, so Hölzer. Das Personal soll durchweg zweisprachig sein – vom Heimleiter bis zur Putzfrau. Die Initiatoren wollen selbst Pflegepersonal ausbilden, um den Bedarf langfristig zu decken.

Im Pflegeheim wird ein islamischer Gebetsraum eingerichtet. Für Familienbesuche ist mehr Platz vorgesehen als üblich. Die Waschräume für Männer und Frauen sind nach landesüblicher Sitte streng getrennt. Männer werden nur von männlichen Pflegern gewaschen, Frauen nur von weiblichen. Das kulturelle und kulinarische Angebot soll den türkischen Gebräuchen angepasst werden.

Bisher gibt es in Berlin mehrere ambulante Pflegedienste, die Betreuung für Türken anbieten. Bundesweit arbeiten einige Heime „multikulturell“, differenzieren also ihr Angebot nach ethnischen Zugehörigkeiten ihrer Bewohner. Solche Konzepte habe man zunächst auch in Berlin verfolgt, sagt Altun. Man sei aber wieder davon abgekommen. „Das ist halbherzig und würde keine Akzeptanz finden.“

Dass sie sich mit einem rein türkischen Pflegeheim vom Integrationskonzept einer multikulturellen Gesellschaft entfernen, ist den Initiatoren bewusst. „Man sieht ja an vielen Stellen, dass Integration nicht funktioniert“, sagt Hölzer. „Wir wollen nicht auch noch mit 60- oder 70-Jährigen über Integration reden“, ergänzt Altun. Man wolle die Bedürfnisse von alten und nach einem langen Arbeitsleben oft kranken Menschen ernst nehmen. „Deutsche Heime können sich darauf nicht einstellen.“

Die Berliner Marseille-Kliniken AG betreibt zurzeit bundesweit 51 Senioreneinrichtungen und beschäftigt etwa 5000 Mitarbeiter.

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