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Das Gebäude in der Köpenicker Straße 137 wurde ursprünglich 1990 besetzt.

© dpa/Soeren Stache

„Es geht Ihnen nur um Geld, das ist doch klar“: Räumungsprozess gegen linkes Hausprojekt „Köpi“ in Berlin begonnen

Seit Mittwoch streiten eine Immobilienfirma und der Bewohnerverein der „Köpi“ vor Gericht. Den Vorwurf, das Haus sei einsturzgefährdet, weist der Verein zurück. Der Richter lässt eine Tendenz erkennen.

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Dass es in Gerichtssaal B218 an diesem Mittwoch um die Zukunft von einem der deutschlandweit bekanntesten linksalternativen Hausprojekte und Kulturzentren geht, ist kaum spürbar: Vor dem Räumungsprozess gegen die „Köpi“ in der Köpenicker Straße 137 in Berlin-Mitte blieb die autonome Szene ruhig. Es gab keine Demonstrationen, auch im Gerichtsaal kaum Publikum abseits der Presse.

Dabei wurde hier an diesem Vormittag über eine mögliche Räumung des seit über 30 Jahren bestehenden Hausprojektes verhandelt: Im Juni 2023 hatte die Eigentümerin, die Startezia GmbH, dem Bewohnerverein fristlos gekündigt. Eigentlich besteht ein Mietvertrag bis 2037.

Die Liste der Vorwürfe von Seiten der Immobilienfirma ist lang. Insbesondere sei das Haus einsturzgefährdet, die Bewohner:innen würden ihren Sicherungspflichten nicht nachkommen. Sie würden das Haus seit Jahren „verwesen“ lassen, mittlerweile seien Stahlträger im Keller deutlich korrodiert, trug eine Anwältin der Startezia vor. Zudem geht es etwa um mutmaßliche Angriffe auf die Sicherheitsfirma, angeblich fehlenden Brandschutz und verweigerte Termine.

Dass Sie jetzt sagen, es ginge um Leben und Tod, ist menschenverachtend.

Moritz Heusinger, Anwalt des Köpi-Bewohnervereins, in Richtung der Immobilienfirma

Der Anwalt des Bewohnervereins, Moritz Heusinger, wies alle Vorwürfe zurück. Tatsächlich könne er durch Gutachten belegen, dass das Haus eben nicht einsturzgefährdet sei. Ein nachweislich korrodierter Stahlträger befinde sich gar nicht unter dem Haus, sondern im unterkellerten Hof. Zudem sei der Bereich seit Jahren fachgerecht abgestützt, sagte Heusinger weiter.

Stattdessen warf er den Anwält:innen der Immobilienfirma vor, die Einsturzgefahr nur vorzutäuschen, um das Gebäude abreißen zu können. „Ihnen geht es nur um das Geld, das ist doch völlig klar“, sagte er in Richtung der Kläger:innen. Dabei verwies er auch darauf, dass ein Gutachten der Eigentümerin schon im Januar 2023 auf die korrodierten Eisenträger hingewiesen habe. Informiert worden seien die Bewohner:innen aber nicht, stattdessen wurde fünf Monate später fristlos gekündigt.

Richter deutet gute Aussichten für Bewohner:innen an

„Dass Sie jetzt sagen, es ginge um Leben und Tod, ist menschenverachtend“, sagte Heusinger. Denn wenn dem so sei, hätte die Eigentümerin die Bewohner:innen aus seiner Sicht umgehend über die drohende Gefahr warnen müssen.

Auch wenn am Mittwoch noch kein Urteil fiel, ließ Richter Jürgen Reichel bereits eine klare Richtung erkennen: Er hielt zwar einige der vorgebrachten Vorwürfe durchaus für plausibel, insbesondere sei tatsächlich die Standsicherheit des Hauses nicht vollumfänglich geklärt. Allerdings betonte er auch, dass nach seiner Ansicht eine Frist zur Behebung der Umstände nötig gewesen wäre.

Ich habe eher den Eindruck, dass die Klägerin das Grundstück freibekommen will, womöglich um es gemeinsam mit dem Nachbargrundstück zu bebauen.

Jürgen Reichel, vorsitzender Richter

Eine fristlose Kündigung sei wohl nicht möglich gewesen, so der Richter weiter – zumal die Eigentümerin nach dem Gutachten eben jene fünf Monate verstreichen ließ, „in denen eine Fristsetzung möglich und zumutbar gewesen wäre“. Auch hätte der Bewohnerverein erkennen lassen, dass er durchaus Maßnahmen ergreife, um die Statik des Hauses zu verbessern.

Viele der von der Eigentümerin monierten Zustände würden seit Jahren bestehen. Auch der Mietvertrag regele explizit, dass bauliche Missstände kein außerordentlicher Kündigungsgrund sein können. „Ich habe eher den Eindruck, dass die Klägerin das Grundstück freibekommen will, womöglich um es gemeinsam mit dem Nachbargrundstück zu bebauen“, sagte der Richter weiter.

Der Richter schlug den Prozessbeteiligten zunächst einen Vergleich vor, falls die Vermieterin ein Ersatzgebäude für den Köpi-Verein stellen könne. Am Donnerstag teilte das Amtsgericht mit, dass das Urteil am 4.12. verkündet werden soll. Der Verkündungstermin ist ab 12 Uhr angesetzt.

Das Haus wurde im Februar 1990 besetzt und gilt als eines der deutschlandweit bekanntesten linken Wohn- und Kulturzentren. 2008 handelten die Bewohner:innen einen Mietvertrag für 30 Jahre aus. Allerdings gibt es nach Tagesspiegel-Informationen auch seit Jahren starke Konflikte inner- und außerhalb der Bewohnerschaft. Das spiegelte sich auch in den fehlenden Protesten angesichts des Räumungsprozesses wider.

2013 wurde das gesamte Gelände nach einer Insolvenz an die Startezia GmbH versteigert. Die Startezia stammt aus derselben Unternehmensfamilie wie die vorherige, insolvente Eigentümerin, die „Novum Köpenicker Straße 133–138 GmbH & Co. KG“. Hinter der Unternehmensfamilie soll der umstrittene Immobilieninvestor Siegfried Nehls stecken. Die Startezia war für den Tagesspiegel bislang nicht erreichbar.

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