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Berlin: Es ist angegrillt

Jetzt ziehen wieder dichte Rauchschwaden durch den Tiergarten. Doch die Kiezstreifen machen sich rar

Genau hier, auf der Wiese neben dem Haus der Kulturen der Welt, hatte Harald Büttner seine „Grillpolizei“ vorgestellt. Das wilde Grillen, versprach der Grünflächenamtsleiter im Schatten der Bäume, würde jeden künftig teuer zu stehen kommen: 35 Euro Verwarnungsgeld plus 12,50 Euro Bearbeitungsgebühr plus 2,35 Euro Zustellgebühr – macht 49,85 Euro. Und tatsächlich sah man sie ein paar Tage lang durch den Tiergarten streifen, die zivil gekleideten (und von echten Polizisten begleiteten) Amtspersonen. Jedem zur Ordnung gerufenen Grillmeister verkündeten sie: „Wir kommen jetzt jede Woche!“ Zwei Jahre ist das her.

Alles nur Schall und Rauch? Gestern jedenfalls hätten die neuen Kiezstreifen locker 2500 Euro allein auf Büttners Wiese verdienen können – wenn sie denn da gewesen wäre. Etwa 50, überwiegend türkische Großfamilien campierten wieder einmal am Ufer der Spree, dort wo laut Schildern das Grillen verboten ist. Stundenlang konnte man im Tiergarten durch die Rauchschwaden wandern, ohne auch nur einen Polizisten oder Ordnungsamtler zu entdecken. Wären sie aufgetaucht, hätten sie sicherlich einiges zu tun gehabt. Um beispielsweise den Eismann zur Räson zu bringen, der mit seinem VW-Bus einfach mitten durch den Tiergarten fuhr und dann auf der Wiese parkte. Oder die Grillfreunde, die ihre Autos auf der Feuerwehrzufahrt zum Haus der Kulturen und diversen Parkwegen geparkt hatten. Und die Menschen, die ihren Müll einfach mal schnell in die Büsche warfen…

Der Park bot stellenweise einen Blick des Jammers: Gegenüber dem Schloss Bellevue waren schätzungsweise vier Quadratmeter Rasen mit blauen Müllbeuteln und Plastiktüten bedeckt, direkt neben dem Schild: „Bitte nehmen Sie Ihren Müll wieder mit nach Hause“. Dafür standen etwas abseits und für die meisten Parkbesucher verborgen zwei halb leere Container auf einer Wiese. Ein türkischer Familienvater schüttelte bei deren Anblick den Kopf. „Es fehlen Schilder“, sagte er.

Büttner hatte vor zwei Jahren verkündet, dass fortan 22 Schilder die Grillzone des Tiergartens kennzeichnen – nur: Die Schilder „Grillen erlaubt“ sind zwar auf deutsch und türkisch, die Schilder „Grillen verboten“ aber nur auf deutsch. Die Halteverbotsschilder hingegen dürften von allen Nationalitäten verstanden werden. Der kleine Schilderwald in der John-Foster-Dulles-Allee wurde trotzdem konsequent missachtet. Die Folge: Staus, Hupkonzerte, Abgaswolken.

Kaum jemand hätte noch damit gerechnet, doch dann schob sich am frühen Nachmittag doch noch ein Polizeiauto die Straße entlang – ignorierte aber sämtliche Falschparker, um vor dem Haus der Kulturen zu stoppen. Also doch die Grillpolizei auf dem Weg zur Arbeit? „Nein“, sagte die Polizistin, „wir bereiten einen großen Einsatz vor.“ Gemeint war der anstehende Besuch des israelischen Präsidenten Katzav, da müssen die Sperrgitter rund ums Kanzleramt richtig stehen. „Für alles andere haben wir keine Zeit“, sagte die Polizistin.

Das Ordnungsamt des Bezirks und der zuständige Stadtrat waren gestern nicht zu erreichen. Aber dann erinnert sich im Park einer der Familienväter, am Vortag immerhin einmal berittene Polizisten im Tiergarten gesehen zu haben. „Heute aber noch nicht.“ Die Suche geht weiter. Gegen 14 Uhr heben sich vier auffällig unauffällig gekleidete Männer von der bunten Menge ab, die sich am Rande der Wiese links der Kongresshalle beraten. Frage: „Sind Sie vom Ordnungsamt?“ Antwort: „Nein wir sind aus Stuttgart und warten auf den Bus.“

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