Geburtshäuser: Fast wie daheim
Geburtshäusersind in Deutschland noch recht unbekannt. Einiger der wichtigsten Fragen und Antworten für werdende Eltern stellen wir hier zusammen.
Stand:
Was ist ein Geburtshaus?
Geburtshäuser sind eine Alternative zur Geburt in der Klinik oder den eigenen vier Wänden. Sie werden von meist freiberuflichen Hebammen geleitet und sollen den Gebärenden und Angehörigen eine ähnliche Atmosphäre wie bei einer Hausgeburt bieten.
Was ist anders als im Krankenhaus?
Vieles. Das beginne schon vor der Geburt, sagt Christine Bruhn, Geschäftsführerin des Geburtshauses Charlottenburg. Die schwangeren Frauen bereiten sich lange mit ihrer Hebamme auf die Entbindung vor. Diese enge Betreuung von Anfang an sei ein „wichtiger Faktor für eine normale Geburt“, so Bruhn. Das Vertrauensverhältnis würde so gestärkt und viele Risiken ließen sich schon frühzeitig erkennen. Fast alle Vorsorgeuntersuchungen können die Hebammen in den Geburtshäusern selbst durchführen, beim Ultraschall sind sie auf die Zusammenarbeit mit den Gynäkologen angewiesen.
Während der Geburt nimmt Bruhn für die Geburtshäuser „eine ganz andere Herangehensweise als in den Kliniken“ in Anspruch. Wichtigstes Element ist die 1-zu-1-Betreuung, die sicherstellt, dass jede Frau eine Hebamme hat, die nur sie betreut. Darüber hinaus legen die Geburtshäuser großen Wert darauf, dass sich die Gebärenden bei der Geburt in vertrautem Ambiente wie zu Hause fühlen und kein „steriles Krankenhaus-Feeling“ aufkommt. In dieser Geborgenheit könnten sie die Schmerzen besser verkraften, sagt Bruhn. Deswegen erinnern die Geburtsräume optisch auch eher an ein wohnliches Schlaf- oder Wohnzimmer.
Mittlerweile legen aber auch Kliniken mehr Wert auf eine angenehme Atmosphäre in den Kreißsälen: „Die haben sich da vieles bei uns abgeschaut“, sagt Bruhn. Im Unterschied zu den Kliniken wird die Geburt im Geburtshaus aber ausschließlich von einer Hebamme betreut. Ein Arzt ist nicht anwesend. Medizinische Eingriffe in den natürlichen Verlauf der Geburt hält die Hebamme so gering wie möglich. „Interventionen stören die Frauen in der Regel nur“, sagt Bruhn. Auch was die Gebärposition anbelangt, sind die werdenden Mütter im Geburtshaus frei und an keine Abläufe gebunden. Die meisten bringen ihr Kind in einer aufrechten Position zur Welt, manche entscheiden sich auch für eine als angenehm empfundene Wassergeburt.
Kann jede Frau im Geburtshaus entbinden?
Die meisten gesunden Frauen können ihr Kind in einem Geburtshaus bekommen. Es gibt aber auch Ausnahmen, sprich Risiken, die eine Geburt unter ärztlicher Aufsicht im Krankenhaus erfordern. Zu diesen Risiken gehören schwere Vorerkrankungen wie insulinpflichtiger Diabetes oder Erkrankungen am Herzen. Auch Frauen, die mehr als ein Kind zur Welt bringen, sollten besser in einer Klinik entbinden. In weiteren Fällen bieten die Geburtshäuser Beratungen an, in denen die Risiken frühzeitig besprochen werden.
Wie hilft die Hebamme unter der Geburt?
Die vertraute Betreuung schon vor der Geburt soll die Frauen auf den Geburtsprozess einstellen. Bei normalem Geburtsverlauf hält sich die Hebamme bewusst zurück. Medikamente oder eine Periduralanästhesie (PDA) kann sie zwar nicht verabreichen. Gebärende werden aber zur Schmerzlinderung und Entspannung mit Massagen, Akupunkturbehandlungen oder homöopathischen Mitteln unterstützt. Für den Notfall gibt es auch in den Geburtshäusern eine Notfallmedikation. „Das ist dann aber schon der Einstieg in die Verlegung in eine Klinik“, sagt Bruhn.
Was ist, wenn doch Probleme auftreten?
Dann kann ein Arzt hinzugezogen werden. Die meisten Geburtshäuser befinden sich in unmittelbarer Nähe eines Krankenhauses und haben Kooperationen mit bestimmten Krankenhäusern. Wer Bedenken hat, sollte das in jedem Fall abklären. Das Geburtshaus Charlottenburg befindet sich auf dem Klinikgelände der DRK Kliniken Westend, sodass bei Komplikationen auch jederzeit eine Verlegung in den nur 50 Meter entfernten Kreißsaal möglich ist. Dabei seien sogenannte „Verlegungen in Eile“ nur in einem Prozent der Fälle nötig, etwa dann, wenn das CTG, der sogenannte Wehenschreiber, meldet, dass die Herztöne des Kindes nicht stimmen oder die Mutter starke Blutungen hat. Meistens könne eine Verlegung aber in Ruhe stattfinden, zum Beispiel, wenn es einen anhaltenden Geburtsstillstand gibt und wehenfördernde Mittel nötig werden.
Und wie geht es nach der Geburt weiter?
Wenige Stunden nach der Geburt verlassen die meisten Familien das Geburtshaus wieder. Die Betreuung durch die Hebamme wird zu Hause während des Wochenbetts fortgesetzt.
Wie viele Frauen entscheiden sich für eine Geburt im Geburtshaus?
Bislang bringen relativ wenige Frauen ihre Kinder in einem Geburtshaus zur Welt, die überwiegende Mehrheit der Schwangeren entscheidet sich für eine Entbindung im Krankenhaus. Zuletzt erblickten 1,6 Prozent aller Berliner Erstgeborenen das Licht der Welt in einem der sieben Geburtshäuser der Hauptstadt. Es waren auch schon mal mehr. Und wenn es schlicht um die Nachfrage ginge, könnten es auch deutlich mehr sein. Dass der Anteil aktuell so niedrig ist, liegt zum einen an der Personalsituation. Der Hebammenmangel mache es unmöglich, allen Wünschen nachzukommen. Trotzdem ist der Bekanntheitsgrad gar nicht so hoch. „Viele kennen die Geburtshäuser nicht“, sagt Bruhn.
Werden die Kosten von den Krankenkassen übernommen?
Ja. Hebammenleistungen für Beratungen, Vorsorge, Geburt und Wochenbett übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen. Seit 2013 wird durch den Vertrag über die Qualitätssicherung in Geburtshäusern zudem eine Betriebskostenpauschale in Höhe von 707 Euro erstattet. Für eine persönliche Rufbereitschaft der Hebamme im Vorfeld der Geburt muss man eine Pauschale zahlen. Gesetzliche Krankenkassen beteiligen sich an der Pauschale in der Regel mit 250 Euro.
Diesen und weitere interessante Artikel rund um die Themen Schwanger- und Mutterschaft finden Sie im aktuellen Gesundheitsratgeber „Tagesspiegel Mutter & Kind 2018/2019“. Das Magazin enthält auch mehrere Vergleichstabellen für Geburts- und Kinderkliniken in Berlin und Brandenburg, sortiert nach Fallzahlen und Ärzteempfehlungen. Es kostet 12,80 Euro und ist erhältlich im Tagesspiegel- Shop, www.tagesspiegel.de/shop, Tel. 29021-520 sowie im Zeitschriftenhandel.
Von Hauke Hohensee
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: