Berlin: Feiern – trotz unsicherer Zukunft Messe bei Christkönigschwestern:
Die Geldnot war kein Thema
Um viertel vor zehn Uhr morgens eilt ein kleiner Mann in schwarzer Soutane über die Straße, auf dem Kopf ein Birett – die mehrspitzige Kopfbedeckung der Geistlichen, wie man sie oft in alten Heimatfilmen sieht. Hinter sich her zieht er einen kleinen Rollkoffer, in dem sich ein goldfarbenes Gebetbuch befindet. Pfarrer Wolfgang-Ambrosius Soldes ist auf dem Weg, um die Messe für die Christkönigschwestern in Alt-Lankwitz zu halten – so wie jeden Sonntag.
In der kleinen Kapelle „Maria Sedes Sapientiae“ herrscht schon stille Geschäftigkeit. Alles scheint so wie an jedem anderen Sonntag. Eine Schwester bringt den Kelch mit den Oblaten zum Altar, die Organistin steckt mit kleinen Kärtchen die Nummern der Messgesänge auf einer Holztafel zusammen. Dabei steht die Existenz der 80-jährigen Gemeinschaft auf dem Spiel: Der Orden ist von Betrügern um mindestens 2,3 Millionen Euro seines Vermögens gebracht worden.
Doch von dieser Sorge ist während des Gottesdienstes nichts zu spüren. Vielmehr fühlt man sich in der Kapelle mit den strahlend weißen Rundbögen und den kleinen bunten Fenstern, als würde die Zeit stehen bleiben. „Laude Jerusalem – Freue Dich Stadt Jerusalem“, singt die Berliner Choralschola, die heute die Messe mit ihren gregorianischen Gesängen begleitet, zum Auftakt. Der beruhigende Singsang, der typisch für die mittelalterlichen liturgischen Lieder ist, scheint von überall herzukommen. Dann setzt Wolfgang-Ambrosius Soldes mit rauer Tenorstimme zum Gebet an. „Oremus“, singt er: „Lasset uns beten.“ Der 76-Jährige liest alle Gebete und Segnungen auf Latein. Nur die Predigt hält er auf Deutsch – und wechselt dafür von der monotonen Melodie seiner Gebete zu einem fröhlichen Plauderton.
Es geht um das Gleichnis vom verlorenen Sohn aus dem Lukas-Evangelium. Ein Mann hat zwei Söhne. Der Jüngere fordert den ihm zustehenden Erbteil ein, geht in die Welt und verprasst sein Vermögen. Dann kommt eine große Hungersnot. Da beschließt der Sohn zurückzukehren zu seinem Vater, um Vergebung zu bitten und sich bei ihm als Tagelöhner zu verdingen. Doch der Vater eilt dem Sohn entgegen, als er ihn sieht, bringt ihm ein Festkleid und schlachtet das Mastkalb. Die Botschaft der Predigt ist einfach: Gottes Gnade gilt für alle Menschen, sagt Soldes. So wie der ältere Sohn in dem Gleichnis dürfe man nicht selbstgerecht sagen: Aber ich habe doch immer alles richtig gemacht und er nicht. „Seien wir doch froh, dass Gott sich auch den anderen zuwendet.“ Gott eile den Menschen entgegen wie der Vater seinem Sohn im Gleichnis.
Über die Situation der Christkönigschwestern verliert Soldes während der Messe kein Wort. Der Sonntag sei ein Grund zu feiern, sagt er stattdessen. „Wir wollen heute jubeln und Gott sagen, wie hast Du alles gut gemacht.“ Und auch die Schwestern wollen an diesem Tag nicht über ihre Lage sprechen. „Wir wollen nicht verzagen“, sagt eine nur.
Anne Seith