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Was würde Martin Luther, hier sein Denkmal in Eisenach, wohl zu den Aktivitäten am Reformationstag sagen?

© dpa/Michael Reichel

Feiertage ohne Glauben: Ab zur Arbeit, Atheisten!

Feiertage dienen heute mehr zum Autowaschen als der seelischen Erhebung. Der Ausweg: Christliche Festtage sollten nur noch für Christen gelten. Ein Rant.

Die Läden sind dicht, was kann man sonst noch machen an einem Reformationstag-Sonderurlaub 500 Jahre nach dem Thesenanschlag Martin Luthers und der Epochenwende vom abergläubischen Mittelalter in die aufgeklärte Neuzeit? Das Auto waschen.
Die Generalreinigung der wetterfesten Mobilitätshilfe gehört zu den beliebtesten Feiertagsbeschäftigungen der Deutschen. Sagt keine Umfrage, sage ich. So erlebt am Reformationstag. Volltanken ist auch sehr beliebt. Nach dem brückentagsverlängerten Wochenendausflug an die verregnete Ostsee.

Artikel 140: Feiertage dienen der „Arbeitsruhe und seelischen Erhebung“

Christliche Feiertage wurden mal erfunden, um Christen Zeit zu geben, ihren Glauben zu verinnerlichen. Sogar im Grundgesetz ist festgehalten, Feiertage dienten der „Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung“, Artikel 140. Inzwischen haben immer weniger Kirchensteuerzahler das Bedürfnis, sich seelisch zu erheben, Pfingsten dem heiligen Geist zu öffnen oder Himmelfahrt einer Bittprozession anzuschließen. Da zumindest in Berlin und Ostdeutschland Atheisten und Nicht-Christen in der absoluten Mehrheit sind, muss man diese Glaubensleere auch gar nicht weiter bedauern. Bleibt die Frage: Was macht das olle Feiertags-Gedöns dann noch für einen Sinn?

Vier mögliche Auswege aus der Sinnkrise:

1. Christliche Feiertage abschaffen, bis auf Weihnachten und Ostern: Hätte den Vorteil, dass zum Ausgleich des Freizeitverlustes zwei jüdische und zwei islamische Feiertage gesetzlich festgeschrieben werden könnten. Dann hätte jede Religion ihre höchsten Feiertage staatlich verbrieft. Problem: Was machen Christen und Atheisten an jüdischen Feiertagen und Juden an muslimischen?

2. Christliche Feiertage umbenennen: Himmelfahrt könnte zur Bierprozession erklärt werden, Pfingstmontag zum Tag der Freilichtbühnen, der Reformationstag zum – na ja, Autowaschtag. Problem: Deutschland macht sich zum internationalen Gespött.

3. Jedes Bundesland bekommt ein festes Feiertagskontingent und kann in eigener Regie Kalendertage verfeiern. Also etwa die Fête de la Musique am 21. Juni oder den Internationalen Tag des Kindes. Auch ein Mauerfalltag wäre denkbar. Problem: Das Durcheinander der Feiertage von Land zu Land wird noch größer.

4. Christliche Feiertage nur noch für Christen: Also nur noch aktive Kirchensteuerzahler dürften der Arbeit fern bleiben. Hätte den charmanten Reiz, dass die Konfessionen mal wieder einen echten Trumpf in die Hand bekämen, die Abtrünnigen zurück in den Schoß der Kirche zu bewegen. Das Heilsversprechen fürs Jenseits, die Sakramente und das christliche Bestattungszeremoniell ziehen ja nicht mehr richtig.

Bingo! Nummer 4 gewinnt. Um es mit Luther zu sagen: Die Feiertage werden vom Kopf wieder auf die Füße gestellt, der Ablasshandel mit Brückentagen wird unterbunden und die Regeln und Werte des Zusammenlebens im christlich geprägten Deutschland wären nicht mehr auf das schlanke Grundgesetz reduziert.

Bei Weihnachten und Ostern wissen auch Nicht-Christen, worum es geht

Natürlich können derart zur Umkehr bewegte Christen immer noch die Feiertags-Gottesdienste schwänzen, aber sie zahlen immerhin ihren Beitrag, damit die Gemeinden überhaupt noch Gottesdienste anbieten können, die Kirchen instand gehalten und geheizt werden und nicht nur als leere Hülle zur Bereicherung des Stadtbilds herumstehen. Wer Angst hat vor der schleichenden Islamisierung Deutschlands, sollte sich mal an die eigene Nase fassen und das Christentum in sich aktivieren. Hat Kanzlerin Angela Merkel gesagt, bei einer Diskussionsrunde, und sie hat recht.

Okay, Weihnachten und Ostern bleiben ausgenommen, da wissen ja auch Nicht-Christen so ungefähr, worum es geht. Lösungen 4 und 1 in Kombination würde die Gleichberechtigung der Religionen fördern, ohne die christliche Prägung aufzugeben.

Wer weder Christ noch Jude sein möchte, arbeitet eben weiter und steigert das Bruttosozialprodukt. Besonders Ostdeutschland könnte von der neuen Feiertagsregelung ungemein profitieren.

Dieser Text erschien zunächst als Rant in der gedruckten Samstagsbeilage Mehr Berlin.

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