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Berlin: Feinstaub in der Frankfurter Allee: Senat ist ratlos

Grenzwert überschritten – doch die Verkehrsverwaltung schreckt vor Sperrungen für Lkw oder Tempolimit zurück

Die Luftbelastung an der Frankfurter Allee stellt den Senat vor kaum lösbare Probleme. Nach der Neuköllner Silbersteinstraße wurde jetzt auch an der Hauptverkehrsachse des Ostens der Jahresgrenzwert für Feinstaub überschritten. Doch während sich anderswo kurzfristige Abhilfe anbietet, herrscht hier Ratlosigkeit. Selbst die Einführung von Tempo 30 hält der Senat im konkreten Fall für vergeblich – obwohl das Umweltbundesamt dazu rät. „An der Frankfurter Allee bringt auch Tempo 30 nichts mehr, die Straße ist einfach am Rande ihrer Kapazität“, sagt Manuela Damianakis, Sprecherin der Verkehrsverwaltung. Hauptproblem sei die schlichte Masse des Verkehrs – und die vermag der Senat erst im Rahmen seines Luftreinhalteplans ab 2008 zu reduzieren, wenn beispielsweise ältere Autos nicht mehr in die City fahren dürfen. Vorerst blickt die Verwaltung ratlos auf die Frankfurter Allee, in deren Umgebung es auch keine Ausweichrouten für Lastwagen gibt, die zu den größten Luftverschmutzern gehören. Weil die Straße so wichtig ist, will der Senat jede Einschränkung, also auch beim Tempo, vermeiden. Irgendwann dürfte er aber zum Handeln gezwungen werden, denn Anwohner haben das Land bereits wegen Verstoßes gegen die EU-Richtlinie verklagt.

Der ADAC hat sich Frankfurter und Karl-Marx-Allee kürzlich genauer angeschaut. Ergebnis: „Wir haben dort eine extreme Stop-and-Go-Situation“, sagt Clubsprecher Jörg Becker. Grund dafür seien vier Baustellen, von denen nur eine dank ausreichender Behelfsspuren nicht zur Staufalle werde. „Hier ist einiges hausgemacht“, moniert der Club und schätzt, dass die Abgasbelastung durch den Dauerstau „mindestens um zwei Drittel höher ist als bei normalem Verkehrsfluss“. Die Stadtentwicklungsverwaltung stellt klar: „Die Baustellen sind nicht von uns; die sind von BVG und Wasserbetrieben.“

Ein Tempolimit von 30 km/h lehnt der ADAC ab – und wagt gar die Prognose, dass es bei Lastwagen eher kontraproduktiv wäre, weil die mit Tempo 50 niedertouriger, also mit weniger Gas, rollten. Dass Lastwagen aber nur ein Teil des Problems sind, zeigt die Silbersteinstraße: Zehn Tage nach der Sperrung für Lkw will die Verwaltung zwar noch keine Bilanz ziehen, jedoch ist klar, dass der Grenzwert auch danach überschritten wurde. Bundesweit liegt die Straße mit 42 Überschreitungen auf dem vierten Platz der Negativliste, die Frankfurter Allee auf Platz neun.

Das Umweltbundesamt hat eine klare Empfehlung gegen den Feinstaub: „Das Optimum ist eine Grüne Welle bei Tempo 30“, sagt UBA-Verkehrsexperte Axel Friedrich. Langsameres Fahren verursache weniger Abrieb von Reifen und Bremsen und vermeide Abgase. Bei einem entsprechenden Versuch in Hamburg habe sich der Feinstaub um fünf bis sieben Prozent verringern lassen. Die längere Fahrzeit ist für den UBA-Experten kein Argument: Weil man praktisch fast nie die Chance habe, konstant 50 zu fahren, verliere man auf der Frankfurter Allee bei Tempo 30 kaum eine Minute.

Selbst wenn sich der Senat scheut, den Autofahrern Tempo 30 aufzuzwingen: Langfristig könnte er damit auch andere Probleme lösen. 2008 tritt eine Lärmrichtlinie in Kraft, die ebenfalls Tempolimits – oder Klagen von Anwohnern – nach sich ziehen dürfte. 2010 wird die EU-Richtlinie für Stickoxide verbindlich, die an Straßen zu zwei Dritteln aus Autoabgasen stammen. Einige Straßen überschreiten den künftigen Grenzwert fast täglich.

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