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Einladend. Die Untervermietung von Privatwohnungen ist nur mit Einschränkungen zulässig.

© imago/Westend61

Zweckentfremdungsverbot in Berlin: Ferienwohnungen melden - ist das Spitzelei?

Der Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg ruft seine Bewohner gezielt zur Meldung von Wohnungen auf, die als Ferienunterkunft zweckentfremdet werden. Manche sehen mit dem Appell die Demokratie an ihrer Grenze.

Von Ronja Ringelstein

Es sind diese Hinweise, mal mehr, mal weniger auffällig, die viele Berliner schon gesehen haben. Eine kleine Box mit Zahlenschloss hängt im Hausflur des Mietshauses – was man auf den ersten Blick nicht sieht: Darin befindet sich ein Wohnungsschlüssel, abholbereit für den, der den Code kennt. Immer wieder begegnen einem im Hausflur Unbekannte mit Rollkoffern. Manchmal fragen die sogar: „Wo ist Ferienwohnung zwei?“

Seit knapp vier Jahren ist die Nutzung von Wohnraum in Berlin für andere Zwecke als zum Wohnen genehmigungspflichtig. Stichwort: Zweckentfremdungsverbot. Doch das wachsende Berlin kämpft mit der Wohnungsnot – und gegen illegale Ferienwohnungen. Senat und Bezirke setzen also auf die Mithilfe der Bürger, die Verstöße melden sollen.

Ein Schritt des Bezirksamts Tempelhof-Schöneberg mag manchem dann aber doch drastisch erscheinen. Ein Schreiben ging an die Bewohner eines Wohnhauses in dem Bezirk. Darin heißt es, dem Wohnungsamt lägen Hinweise vor, dass Wohnungen in dem Haus zweckentfremdet würden. „Sollte Ihnen hierzu etwas aufgefallen sein, wäre es sehr hilfreich, wenn Sie Ihre Beobachtungen dem Wohnungsamt mitteilen würden.“

AfD-Abgeordneter: Das ist Spitzelei

Frank-Christian Hansel, Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, hatte eben dieses Schreiben in seinem Briefkasten. Für ihn ist das Spitzelei. „Es ist eines Rechtsstaates unwürdig, Bürger zu Spitzelei und Denunziation aufzurufen, um simple Ordnungswidrigkeiten ahnden zu können. Schließlich geht es hier nicht um schwere Straftaten“, sagt Hansel. Und er legt noch nach: Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg verlasse mit diesem Aufruf „das in einer Demokratie Zulässige“.

Ist das so? Die Frage spaltet Berlin. Wie soll ein Bezirksamt ohne Mithilfe der Bürger kontrollieren, ob Wohnungen zweckentfremdet werden? Und es geht nicht nur um illegale Ferienwohnungen, auch spekulativer Dauer-Leerstand gehört etwa dazu.

Ordnungswidrigkeiten zu melden ist nicht unüblich

Davon zumindest ist der stadtentwicklungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Daniel Buchholz, überzeugt. Er findet es nicht unüblich, dass Bürger Ordnungswidrigkeiten Anderer melden. Bei Vermüllung, beim Falschparken sei das normal. „Die Bezirksämter entscheiden, wie sie Bürgern die Möglichkeit geben, sich über Missstände im Haus zu äußern. Ob nun im Internet oder nach einem Aufruf. Da sehe ich qualitativ keinen Unterschied“, sagt Buchholz.

Schon lange können Bewohner, die beobachten, dass Rollkofferkommandos regelmäßig durch die Hausflure streifen, auf der Internetseite der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eine Meldung machen, auch anonym. 60 Mitarbeiter wurden über die Bezirke verteilt, um diesen Hinweisen nachzugehen.

Anlasslos die 1,8 Millionen Mietwohnungen in Berlin zu überprüfen sei ja wohl kaum möglich, sagt die Sprecherin für Wohnen und Mieten der Grünen-Fraktion, Katrin Schmidberger. „Die Bezirke müssen eine illegale Zweckentfremdung bis ins Detail nachweisen. Deshalb ist es legitim, dass man die Bewohner eines Hauses mit einbezieht. Die Leute müssen sich wehren.“

Ausgerechnet einer ihrer Parteikollegen, Vollrad Kuhn, Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung in Pankow, sieht das Vorgehen durch das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg kritischer. In seinem Bezirk seien bisher keine Schreiben an Anwohner verschickt worden. Und so ein Aufruf komme für ihn auch nicht in Frage. Sicherlich könne die Bevölkerung um Mithilfe gebeten werden, „ein direktes Anschreiben an die Bürger verbietet sich aber nach hiesiger Auffassung. Die historische Vergangenheit sollte da Mahnung genug sein, dass man hier nicht offen zur Denunzierung auffordert“, sagt Kuhn. Anzeigen zur Zweckentfremdung kämen in Pankow von den Bürgern unaufgefordert per E-Mail, Post oder über das Onlineformular oder durch Mitteilung der Ordnungsämter und der Polizei.

Auch in anderen Bezirken melden Bürger Verstöße

Das wird auch aus den anderen Bezirken berichtet. Mittes Bezirksstadträtin Sandra Obermeyer spricht von einem „Bedürfnis“ der Bürger, „bei dem wichtigen und existenziellen Thema Wohnen Hinweise auf Gesetzesverstöße zu geben“. Wegen des bestehenden Austauschs, sagt Obermeyer, habe es bislang keine Notwendigkeit gegeben, mit einem Schreiben an die Menschen heranzutreten.

Auch Treptow-Köpenick, Spandau, Reinickendorf und Neukölln verzichten auf derartige Briefe. Aus den anderen Bezirken war niemand zu erreichen, auch in Tempelhof-Schöneberg war am Freitag keiner zugegen, um den Aufruf zu erklären. Neuköllns Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, Jochen Biedermann (Grüne), hat aber Verständnis. „Ein Problem ist, dass die anonymen Meldungen oft zu ungenau sind. Und Nachfragen können wir dann nicht stellen“, sagt er und schließt derartige Briefe, wie sie vom Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg verschickt wurden, für Neukölln nicht aus.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gibt Rückendeckung für dieses Vorgehen. Es sei klar, dass die „Bezirke auf die Mitarbeit der Berlinerinnen und Berliner angewiesen sind, um dafür zu sorgen, dass Wohnraum tatsächlich für das zur Verfügung steht, wofür er gedacht ist: zum dauerhaften Wohnen“.

Der Senat hat dem Parlament im Februar ein „Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum“ in einer verschärften Version zur Abstimmung vorgelegt. Es soll nun auch Schlupflöcher für professionelle Vermieter von Ferienwohnungen wie „Airbnb“ schließen. Im Mai soll es vom Abgeordnetenhaus verabschiedet werden.

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