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Schlussakkord. Auch beim Classic Open Air auf dem Gendarmenmarkt fliegen die Funken.

© p-a/dpa/Jörg Carstens

Feuerwerk in Berlin: Ihr habt doch einen Knall!

Bei Geburtstagsfeiern, Hochzeiten, Klassikkonzerten, sogar beim Tegeler Schollenfest: Überall wird geböllert. Die Stadt muss die Alltags-Feuerwerke in den Griff bekommen, bevor sie über ein Verbot an Silvester nachdenken kann. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Klaus Kurpjuweit

Ja, wer genehmigt denn so was? Nach dem letzten Silvesterfest wurde in Berlin über die Nacht des Wahnsinns wieder einmal wochenlang gestritten. Weil geballert wurde, was die Packungen hergaben. Weil Dutzende Menschen verletzt in die Krankenhäuser gebracht wurden und die Luftbelastung Werte erreichte, die sonst eher in Peking und anderen asiatischen Millionenstädten gemessen werden.

Aber von wegen nur Silvester. Geknallt wird fast das ganze Jahr, sobald es dunkel wird, ohne festen Rhythmus. Feuerwerke scheinen inzwischen zu fast jedem Fest zu gehören, erst jetzt wieder bei den Neuköllner Maientagen, dann bei der Steglitzer Woche, anschließend beim „Classic Open Air“-Festival auf dem Gendarmenmarkt, beim Schollenfest am Waidmannsluster Damm in Tegel, das als das älteste Volksfest in Berlin gilt. Und schließlich selbstverständlich auch noch bei der Pyronale auf dem Maifeld am Olympiastadion. Die Anwohner kennen die Termine – Fremde und Touristen aber zucken bei der Knallerei oft zusammen.

Im Internet ist es ganz einfach, an Böller zu kommen

Doch leider knallt es noch viel häufiger – und dann auch ohne Vorwarnung für die Nachbarschaft. Viele private Feiern, seien es runde oder eckige Geburtstage, Hochzeiten oder auch Mitarbeiterfeste, scheinen inzwischen nicht mehr ohne den Knalleffekt auszukommen. Jedenfalls wird, so der Eindruck, von Jahr zu Jahr mehr geballert. Sicher zum Jux der Feiernden, aber nicht zum Spaß für diejenigen, die vielleicht schon schlafen oder einfach die Ruhe des Wochenendes genießen wollen.

Kein Wunder, dass es immer doller wird: Es ist ganz einfach, an Böller, Raketen und Kanonenschläge zu kommen. Während das Silvesterfeuerwerk offiziell nur Ende Dezember verkauft werden darf, kann man im Rest des Jahres die Krachutensilien ganz einfach online bestellen, wenn man kein Geschäft findet, das sie verkaufen darf. Man braucht bei der Bestellung lediglich die Genehmigung zum Abbrennen des Feuerwerks mitzuschicken. Falls der Kunde die nicht vorweisen kann, genügt es auch, die Kopie des Personalausweises einzusenden. „Vor oder nach der Bestellung“, wie ein Händler wirbt.

Dann stehe dem „kunterbunten Feuerwerksvergnügen“ nichts mehr im Weg. Im Angebot sind auch „Komplett-Feuerwerk-Pakete mit Aufbau- und Abbrennplan“. Bei so viel Service kann man doch einfach nicht widerstehen, wenn man es so richtig krachen lassen will. Was spielt es dann schon für eine Rolle, dass man seine Umgebung damit in den Wahnsinn treibt?

Eine Genehmigung? Nicht kompliziert

Und der Service geht weiter: Ein Händler wirbt, es sei in der Regel nicht kompliziert, die Genehmigung der zuständigen Ordnungsbehörde im Bezirksamt zu erhalten. Den einseitigen Vordruck des „Freistellungsantrags zum Verwendungsverbot von Feuerwerkskörpern der Klasse II für ein privates Feuerwerk nach §24 Abs. 1 der 1. SprengV“ kann man gleich bei ihm erhalten. Und wer einen gewerblichen Pyrotechniker knallen lässt, braucht ohnehin den Lärm nur anzumelden.

In Charlottenburg-Wilmersdorf sind 2017 insgesamt 28 solcher Meldungen eingegangen; nur eine wurde zurückgewiesen. Ausnahmegenehmigungen für private Feiern gab es drei; davon zwei für Schulen. Ähnlich sieht es in Mitte aus. Genehmigungspflichtige Feuerwerke für Geburtstage und Hochzeiten würden grundsätzlich nicht zugelassen, heißt es dort. Zu anderen Anlässen, etwa Kleingartenfeiern, gebe es wenige Ausnahmen. Bis zu drei im Jahr.

Wer kann’s denn kontrollieren?

Aha! Scheint sich aber niemand dran zu halten. Denn geknallt wird trotzdem kräftig. Offenbar auch ohne Erlaubnis. Wer kann’s denn kontrollieren?

Wenn es so einfach ist, das ganze Jahr über zu knallen, ist es lächerlich, über ein Verbot zu Silvester nachzudenken. Zumal es in unserer Millionenstadt offenbar jetzt schon unmöglich ist, das Einhalten des Verbots zu kontrollieren. Das funktioniert vielleicht an der Ostsee, wo Feuerwerk wegen der reetgedeckten Häuser, die leicht in Brand geraten können, streng verboten ist. Aber wer einmal an der Küste Silvester gefeiert hat, weiß: Eine Party kann auch ohne Krach ganz lustig sein, ihr Knallköppe!

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