Eine Weile geistert Gianna Nannini schon durch Berlin, zeigt sich aber nur selten öffentlich. Denn die Rocksängerin legt nicht allzu viel Wert auf Publicity, wirkt eher verwundert, wenn sich die Anhänger nach Autogrammen Schlange stehen. So geschah es am Sonntagmittag in der Piazza Italiana, der kleinen italienischen Enklave in Glienicke am nördlichen Berliner Stadtrand. Der Besitzer Antonio Modesti kennt Gianna schon lange, und so war es keine Überraschung, dass die den eher entlegenen Ort wählte, um auf ihr Doppelleben aufmerksam zu machen – ihre Zweitexistenz als Weinmacherin. Die Certosa di Belrigurdo, eine Klosteranlage in der Nähe von Siena in der Toskana, gehört der Familie schon seit Jahrhunderten, die Gegend ist perfekt geeignet zur Erzeugung großer Rotweine. Die Erfahrung anderer Prominenter wie Gerard Depardieu oder Francis Ford Coppola zeigt, dass Weine mit Promi-Bonus sich praktisch von selbst verkaufen.
Gut müssen sie allerdings sein – das weiß die gelernte Musikerin und ungelernte Weinmacherin, und sie hat sich deshalb die Hilfe des bekannten Önologen Ricardo Cottarella gesichert, der dafür sorgt, dass Baccano, Rosso Clausura und Chiostro di Venere nicht nur als Promi-Getränk, sondern als seriöser Wein erfolgreich und ihren stolzen Endverbraucherpreis von mehr als 30 Euro auch wert sind.
Pünktlich eine halbe Stunde nach der offiziell angegebenen Zeit betrat sie den Raum, angetan mit violettem Blazer, designerhaft geflickten Jeans und Turnschuhen, die Haarsträhnen akkurat im Gesicht, setzte die schnittige Sonnenbrille auf und wieder ab, sang ein paar Töne reibeisenhaft in die Runde, unverkennbar, unkopierbar. Hier eine Unterschrift aufs T-Shirt, dort eine auf die Pressemappe, dort eine ins Poesiealbum.
Das Berlin-Projekt der Sängerin ist eine Art offenes Branchengeheimnis. Seit Jahresanfang lässt sie suchen, weil sie Berlin als eine Art Tor Europas ansieht. Doch ob es nun ein Loft im szenigen Mitte sein soll, eine Villa im diskreten Dahlem oder irgendetwas dazwischen, das ist offenbar noch nicht entschieden. Ihre Verbindung nach Berlin geht zurück auf Erlebnisse in der prähistorischen Zeit der Neuen Deutschen Welle: Als sie von Jim Rakete fotografiert werden sollte, kümmerte sich eine gewisse Nena ums Make-up. Im Juni spätestens lässt sie sich wieder mal mit Band auf der Bühne blicken, um auch die Songs ihrer aktuellen CD „Perle“ näher an den Endverbraucher zu tragen, und dann werden sicher erneut eine paar Flaschen der toskanischen Roten entkorkt werden, möglicherweise, wer weiß, zur Feier des Mietvertrags.