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Schülerinnen der Staatlichen Ballettschule während einer Generalprobe an der Berliner Staatsoper.

© imago images/Raimund Müller

Fragwürdiger Umgang mit Steuergeldern: Neue Vorwürfe gegen den Leiter der Berliner Ballettschule

Gab es ein Vermischung von Privat- und Dienstreisen? Um Fragen wie diese geht es in einem Bericht im Auftrag der Bildungssenatorin.

Beim Umgang mit Steuergeldern an der Staatlichen Ballettschule Berlin und Schule für Artistik sind neue Ungereimtheiten aufgetaucht. Nach Tagesspiegel-Informationen kommen Wirtschaftsprüfer zu dem Schluss, dass Schulleiter Ralf Stabel mindestens eine Dienstreise nicht richtig abgerechnet haben soll. Sein Anwalt Jens Brückner kündigte auf Anfrage für Mittwoch eine Stellungnahme an.

Die Wirtschaftsprüfer hatten im Auftrag der Senatsverwaltung für Bildung die „ordnungsgemäße Haushalts- und Geschäftsführung“ der Schule im Frühjahr 2020 untersucht, nachdem es Hinweise auf Unregelmäßigkeiten gegeben hatte.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Stabel bereits Hausverbot. Die später erfolgte Kündigung wurde allerdings zunächst nicht mit der Haushalts- und Geschäftsführung begründet, sondern mit zu langen Arbeitstagen der Schüler durch Abendauftritte und damit, dass Stabel zu wenig unterrichtet haben soll.

Diese Kündigung wurde zweimal durch weitere Vorwürfe erweitert. Zunächst ging es um die strittige Erteilung zweier Abschlusszeugnisse, zuletzt wurde damit argumentiert, dass Stabel sich Dienstreisen von seiner Stellvertreterin und nicht von der Schulaufsicht habe genehmigen lassen.

Teure Dienstreisen - von der Stellvertreterin genehmigt

Letzteres wird von seinem Anwalt nicht bestritten, aber er verweist auf eine bis Januar 2019 geübte einvernehmliche Praxis. Dass es auch danach noch vorkam, dass nur die Stellvertreterin Reisen abzeichnete, begründet Brückner damit, dass die zuständige Schulaufsicht zu dem Zeitpunkt „nicht erreichbar“ gewesen sei. Dass das dem Arbeitsgericht zur Begründung reicht, gilt unter Juristen als unwahrscheinlich.

Am Mittwoch geht es vor Gericht unter anderem um die Doppelbelastung der Schüler durch abendliche Auftritte - etwa an der Staatsoper - und morgentlichen Unterricht.
Am Mittwoch geht es vor Gericht unter anderem um die Doppelbelastung der Schüler durch abendliche Auftritte - etwa an der Staatsoper - und morgentlichen Unterricht.

© Mike Wolff

Aber auch die weiteren Vorwürfe in Bezug auf die Dienstreisen haben Gewicht, sollten sie zutreffen.

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Die Wirtschaftsprüfer wollen nämlich festgestellt haben, dass Stabel, die „gesamten Fahrtkosten“ für eine mehrtägige Reise nach Köln als Dienstreise abgerechnet habe, obwohl er sie mit einer privaten Reise „kombiniert“ habe. Zudem soll für einen als Dienstreise abgerechneten Flug nach Malaga der Beleg fehlen, dass es sich um einen dienstlichen Zweck gehandelt habe. Auch für die Verwendung von Bonusmeilen, die Stabel auf Staatskosten erflogen habe, vermissen die Prüfer Belege – allesamt Vorwürfe, zu denen sich Stabels Anwalt am Mittwoch äußern will.

Die Prüfer vermissen eine "sparsame Haushaltsführung"

Die langjährige Intransparenz könnte darauf deuten, dass aus der Bildungsverwaltung früher niemand nachgefragt hat. Dazu passt, dass die Behörde auch an zahlreichen Fernreisen offenbar keinen Anstoß nahm – nicht einmal als Stabel 2019 „zur Anbahnung von Kooperationen“ viermal ohne Schüler nach Havanna flog. Auch einige weitere Fernreisen fanden ohne Schüler statt. Wenn Schüler dabei waren, kam auf zwei im Schnitt eine Lehrkraft, weshalb die Prüfer fragen, ob dies mit einer „sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung in Einklang steht“.

Die Staatliche Ballett- und Artistikschule ging aus zwei Spezialschulen der DDR hervor.
Die Staatliche Ballett- und Artistikschule ging aus zwei Spezialschulen der DDR hervor.

© promo

Diese Frage taucht mehrfach in dem Bericht auf – etwa wenn es um kostspielige Veranstaltungen an der Schule oder etwa um einen „Cocktailempfang“ in New York geht, den Stabel laut Wirtschaftsprüferbericht für die Reisegruppe seiner Schule gab. Bilanzierend empfehlen die Prüfer eine „verstärkte Kontrolle der sparsamen Mittelvergabe durch das Aufsichtsorgan“, also durch die Schulaufsicht.

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Die Schulaufsicht steht aber auch in anderem Zusammenhang in der Kritik. So sei ihr nicht aufgefallen, dass Stabel die Schulgremien kaum einbezog: Entsprechende Hinweise der Schulinspektion seien seit 2015 folgenlos geblieben. Auch die Tatsache, dass die von über 60 Kollegen thematisierte „Kultur der Angst“ an der Schule angeblich nie bis zur Schulaufsicht durchdrang, wirft Fragen auf.

Nächste Woche folgt der Bericht der Expertenkommission

Eine von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) eingesetzte Expertenkommission soll nächste Woche Vorschläge für eine Neuaufstellung der Schule unterbreiten. Ihr Zwischenbericht war Anfang Mai erschienen.

„Die Aufklärungsarbeit muss allumfassend sein und alle Ebenen mit einbeziehen, dies gilt auch für die Rolle der Schulaufsicht,“ steht für die Bildungsexpertin der Grünen, Marianne Burkert-Eulitz, fest.

Senatorin Scheeres hatte sowohl Ralf Stabel (r.) als auch dem Landesjugendballett-Leiter Seyffert gekündigt.
Senatorin Scheeres hatte sowohl Ralf Stabel (r.) als auch dem Landesjugendballett-Leiter Seyffert gekündigt.

© Christophe Gateau/dpa

Wie berichtet, wurde die Schule jahrelang durch den 2014 pensionierten, einflussreichen Abteilungsleiter der Bildungsverwaltung, Ludger Pieper, gefördert. Pieper unterstützt die Inititative "Save the dance", die sich für die Rückkehr Stabels und des ebenfalls gekündigten Landesjugendballettleiter Gregor Seyffert einsetzt.

Seyfferts Klage gegen seine Kündigung wird nach Brückners Angabe im Januar 2021 vor dem Arbeitsgericht verhandelt.

Eine ehemalige Führungskraft greift die eigene Behörde an

In einem von der Initiative "Save the dance" veröffentlichten Statement übt Pieper Kritik an seiner ehemaligen Behörde, indem er schreibt, dass die Neuausschreibung der - damals zunächst noch besetzten - Schulleitungsstelle und auch die in der Presse berichteten Begründungen für die fristlose Kündigung "rechtsstaatlich unangemessene Schritte der Schulbehörde" seien.

Die maßgeblichen Dokumente rund um den Konflikt an der Staatlichen Ballettschule sind in diesem Beitrag verlinkt.

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