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Schön für den Alten Fritz. Auch in Höhe der Statue will das Bündnis den Boulevard für Fußgänger reservieren.

© picture alliance/dpa/Jens Büttner

Friedrichstraße und Unter den Linden: Wie Berlins Boulevards teilweise autofrei werden könnten

Das Bündnis „Stadt für Menschen“ macht Druck: Beide Boulevards sollen teilweise für Pkw gesperrt werden. Nun haben die Aktivisten Vorschläge vorgestellt.

Wie schön muss es sein, auf diesem Boulevard zu flanieren. An der Neuen Wache, der Lindenoper und all den anderen barocken oder klassizistischen Gebäuden vorbei. Vom Bebelplatz rüber zur Humboldt-Uni, ohne lange an Ampeln zu stehen oder befürchten zu müssen, überfahren zu werden: Das soll nach dem Willen des Bündnisses „Stadt für Menschen“ kein schöner Traum bleiben, sondern so rasch wie möglich real werden. Seine Mitglieder haben jetzt Vorschläge präsentiert, wie der Boulevard Unter den Linden und die Friedrichstraße teilweise autofrei werden könnten – damit Marlene Dietrichs Liebeserklärung an die Flaniermeile wieder zutrifft: „Untern Linden promenier’ ich immer gern’ vorbei“, hat sie gesungen.

Das ist eigentlich ganz im Sinne des Ende 2016 gestarteten rot-rot-grünen Berliner Regierungsbündnisses, dessen Koalitionsvertrag explizit vorsieht, zumindest Unter den Linden „den motorisierten Individualverkehr bis zum Brandenburger Tor zu unterbinden“. Doch geschehen ist im Herzstück der Ost-City bisher fast nichts. „Wir sind noch in der Anfangsphase“, sagte am Sonntag Jan Thomsen, Sprecher der Senatsverkehrsverwaltung, auf Anfrage. Die geplante Machbarkeitsstudie sei noch „in Vorbereitung“. Schneckentempo also. So sieht es „Stadt für Menschen“ und macht deshalb Druck.

Bündnis wünscht Fußgängerzone zwischen Französischer und Leipziger Straße

Das Anfang 2018 gegründete Bündnis von rund 40 stadtplanerisch engagierten Bürgern und Verkehrsaktivisten schlägt vor, Die Straße Unter den Linden zwischen der Liebknechtbrücke am Berliner Dom und der Charlottenstraße für Pkw zu sperren. Die Charlottenstraße kreuzt den Boulevard kurz vor der Einmündung der Friedrichstraße. Nur noch für Radler und die BVG sollen die Linden auf diesem Abschnitt offenbleiben.

An sechs Punkten will die Initiative zudem den querenden Verkehr aus Nebenstraßen unterbinden. Dazu sollen versenkbare Poller dienen, die nur von Bussen angefunkt werden können. Verwirklichen lasse sich dies alles, sobald die Großbaustelle zur Verlängerung der U-Bahnlinie 5 zwischen Rotem Rathaus und Brandenburger Tor geräumt ist und die U5 wie vorgesehen ab 2020/21 ihren Betrieb aufnimmt.

In der Friedrichstraße wünscht sich das Bündnis eine Fußgängerzone im Bereich zwischen Französischer Straße und Leipziger Straße. Das sei dringend nötig angesichts des Niedergangs der Friedrichstraße. Tatsächlich stehen dort zunehmend Läden leer, die einst hochgelobte Einkaufsmeile muss auch aus Sicht des Senats dringend attraktiver werden. Erstmals Schlagzeilen machte das Bündnis „Stadt für Menschen“, als es im Advent 2018 den entsprechenden Abschnitt der Friedrichstraße für zwei Stunden sperren ließ und auf diese Weise tausende angelockte Fußgänger für die avisierte autofreie Zukunft begeisterte.

Wie werden die verdrängten Autofahrer reagieren?

Das Motto der Initiative lautet: Erreichbarkeit sicherstellen – Attraktivität erhöhen. Der Lieferverkehr komme auch nach den Sperrungen weiter an die Geschäfte heran, sagt Sprecher Stefan Lehmkühler. Die Belieferung erfolge schon jetzt über hintere Zufahrtsstraßen.

Aber wie werden die verdrängten Pkw-Fahrer reagieren? Suchen sie sich Schleichwege drumherum und belasten dort Wohngebiete? Lehmkühler plädiert hier für ein „grundsätzliches Umdenken“ in der Verkehrsplanung. „Wenn man wie bisher Umleitungen anbietet, verstärkt das den Autostrom.“ Sperre man hingegen Spuren oder ganze Straßen, ohne Ersatzwege auszuschildern, nehme die Zahl der Pkw dort sowie im Umfeld erfahrungsgemäß ab. Dies zeige das Beispiel Unter den Linden. Seit der Boulevard für die U-Bahnbaustelle aufgerissen wurde, gingen die Verkehrsströme tatsächlich großräumig stark zurück.

Die Planer der Verkehrsverwaltung halten aber Ersatzwege weiterhin für unerlässlich. Diese zu finden, sei „hochkomplex“, sagt Sprecher Jan Thomsen. Vermutlich wurde die Machbarkeitsstudie auch deshalb noch nicht beherzt vorangetrieben.

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