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Eine mit Stacheldraht versehene Gefängnismauer in Nahaufnahme (Symbolbild)

© imago/Jürgen Ritter / imago/Jürgen Ritter

Exklusiv

Grüne fordern verbindliches Präventionskonzept: Fünf Suizide und 37 Suizidversuche in Berlins Gefängnissen im Jahr 2024

In Gefängnissen ist das Suizidrisiko besonders hoch. Für 2024 und 2025 liegen neue Zahlen vor. Die Grünen fordern „bessere Strukturen zur Früherkennung“.

Stand:

In Berlins Justizvollzugsanstalten haben sich im vergangenen Jahr fünf Inhaftierte das Leben genommen. Drei der Suizide fanden in der JVA Moabit statt und jeweils einer in der JVA Plötzensee und in Tegel. Im ersten Quartal 2025 gab es bereits drei Suizide, zwei davon in der JVA Heidering, einen in der JVA Plötzensee.

Das geht aus der Antwort der Justizverwaltung auf eine Anfrage der Grünen-Politikerin Petra Vandrey hervor, die dem Tagesspiegel vorab vorliegt. Zum Vergleich: 2023 hatten sich neun Inhaftierte das Leben genommen, 2022 drei, 2021 zwei und 2020 neun.

Im vergangenen Jahr gab es zudem 37 und von Januar bis März 2025 zehn Suizidversuche. Darüber hinaus gab es 2024 sieben weitere Todesfälle in Berliner Vollzugsanstalten.

In 41 Fällen der insgesamt 47 Suizidversuche und acht Suizide lagen laut Justizverwaltung „erkennbare Anzeichen einer psychischen Krise, suizidale Äußerungen oder Auffälligkeiten bei der Haftaufnahme bzw. im Haftverlauf“ vor.

Die rechtspolitische Sprecherin der Grünen plädiert für ein besseres Präventionskonzept: „Wir fordern ein berlinweites, verbindliches Suizidpräventionskonzept mit klaren Standards, personeller Ausstattung und Transparenz über die Ergebnisse“, sagte Vandrey dem Tagesspiegel. Dass in 41 von 47 Suizidversuchen bereits vorher Anzeichen seelischer Not erkennbar gewesen seien, zeige, dass es „dringend bessere Strukturen zur Früherkennung und Intervention“ brauche. „Der Strafvollzug darf kein blinder Fleck in der psychischen Gesundheitsversorgung bleiben“, sagte Vandrey.

Verwaltung verweist auf regelmäßiges „Risiko-Monitoring“

Die Justizverwaltung verweist auf die Maßnahmen, die aktuell schon ergriffen werden. Alle Inhaftierten werden demnach bei ihrer Aufnahme in eine Justizvollzugsanstalt während eines Gesprächs einem standardisierten „Suizidscreening“ unterzogen. Im Haftverlauf erfolge regelmäßig ein „Risiko-Monitoring“.

Der Strafvollzug darf kein blinder Fleck in der psychischen Gesundheitsversorgung bleiben.

Petra Vandrey, rechtspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion

Aktuell werde in der JVA Moabit ein „besonders gesicherter Haftraum zur Suizidprävention“ gebaut und eingerichtet. Er soll Mitte des Jahres fertig werden. „Mit dem Suizidpräventionsraum soll ein freundlich gestalteter, suizidpräventiv eingerichteter Raum für akut suizidgefährdete Inhaftierte zur Verfügung stehen, in dem sie eng durch die Bediensteten und Mitarbeitenden der verschiedenen Fachdienste betreut und bei Bedarf rund um die Uhr beobachtet werden können“, erläutert die Verwaltung.

Auch in der JVA für Frauen, der JVA Tegel und der Jugendstrafanstalt liefen Vorbereitungen für entsprechende Räume. Bei den übrigen Justizvollzugsanstalten befinde man sich in der „konzeptuellen Planungsphase“. Entsprechende Räume hatte die Verwaltung bereits 2023 in Aussicht gestellt.

Zwischen Januar 2024 und März 2025 kam es in acht Fällen zu mehrfachen Suizidversuchen derselben Person. In allen Fällen seien die Inhaftierten im Anschluss an den Suizidversuch „engmaschig“ durch den Psychologischen Dienst, den allgemeinen Vollzugsdienst und den Sozialdienst betreut worden. Bei einigen der Betroffenen kam es zu zusätzlichen Maßnahmen, etwa der vorübergehenden Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum oder dem Kriseninterventionsraum des Justizvollzugskrankenhauses.

Der Berliner Justizvollzug bewege sich im Hinblick auf Suizide und Suizidversuche im bundesweiten Vergleich der Justizvollzugsanstalten „prozentual im Mittelfeld“, schreibt die Senatsverwaltung. Nach Ansicht der Verwaltung zeige das, dass „die vorhandenen Maßnahmen der Suizidprävention greifen und Suizide und Suizidversuche durch die Bediensteten und Mitarbeitenden in den Justizvollzugsanstalten häufig verhindert werden können“.

Sie verweist auch darauf, dass nach schwerwiegenden Suizidversuchen oder Suiziden in den Gefängnissen „strukturierte, interprofessionelle Suizidkonferenzen“ stattfänden. Dort bespreche man das Ereignis und Verbesserungsmöglichkeiten.

Die JVA Moabit erhielt Anfang Mai den „Suizidpräventionspreis 2024“ der Bundesarbeitsgruppe „Suizidprävention im Justizvollzug“. „In Haftanstalten erhöhen besondere Belastungen und psychischer Druck das Suizidrisiko – umso wichtiger sind Menschlichkeit, Aufmerksamkeit und entschlossenes Handeln“, hatte Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) anlässlich der Verleihung gesagt.

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