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Polizeieinsätze im Kontext mit dem Nahostkonflikt belasten unter anderem die Polizei.

© Joerg Carstensen/dpa

„Fußball-EM lässt Überstundenberg wachsen“: Kein Ausgleich, kein Geld – Berliner Polizei vor Rekord bei Mehrarbeit

Schon im ersten Halbjahr haben sich bei der Polizei 2,6 Millionen Überstunden aufgetürmt. Und der Berg wächst weiter. Die Gewerkschaft erwartet einen Rekord.

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Die Berliner Polizei bekommt die Überstunden ihrer Mitarbeiter nicht mehr in den Griff. Wegen der Fußball- Europameisterschaft, der Nahost-Proteste, des Einsatzes hunderter Beamter zum Schutz jüdischer und israelischer Objekte und Personen und wegen der Staatsbesuche steigt die Mehrarbeit weiter an.

Allein bis zur Jahreshälfte hat jeder der 27.000 Mitarbeiter rechnerisch schon 100 Überstunden auf dem Arbeitszeitkonto angehäuft. Bis zum Jahresende könnten es bis zu 200 Überstunden pro Mitarbeiter werden. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) rechnet mit einem neuen Rekord – drei Millionen Überstunden, die weder abgebummelt noch ausbezahlt werden können.

Schon in der ersten Jahreshälfte haben sich 2,62 Millionen Überstunden aufgetürmt. Das geht aus einer Antwort von Innenstaatssekretär Christian Hochgrebe (SPD) auf eine Anfrage aus der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus hervor.

5,2
Millionen Überstunden leisteten Mitarbeiter der Polizei im Jahr 2022.

„Man kann immer wieder deutlich sehen, dass Großereignisse wie die EM den ohnehin großen Überstundenberg weiter wachsen lassen“, sagte GdP-Landeschef Stephan Weh. „Jeder weiß, dass die Hauptstadtpolizei von einer Lage in die nächste kommt. Wir werden uns zum Ende des Jahres auf die drei Millionen Überstunden zubewegen.“

2023 leisteten die Mitarbeiter insgesamt 5,2 Millionen Überstunden, bis Ende Oktober 2023 dann 4,7 Millionen. Bis zu diesem Zeitpunkt im vergangenen Jahr konnten sie zwar 4,5 Millionen Überstunden abbummeln, dennoch schoben sie weiter 2,15 Millionen Überstunden vor sich her, die nicht ausgezahlt oder ausgeglichen werden konnten.

Allein an die sechs EM-Spieltagen in Berlin und bei Einsätzen in den Austragungsstätten Hamburg und Leipzig fielen 176.000 zusätzliche Einsatzkräftestunden an. Die meisten Überstunden leisteten die Beamten in der Direktion Einsatz/Verkehr an, wo auch die Hundertschaften angesiedelt sind, und im Landeskriminalamt.

Gewerkschaft fordert Personalpuffer

Dabei beinhalten die Zahlen nicht die komplette Mehrarbeit. Bei der Polizei gilt eine Bagatellgrenze. Bis zu fünf Überstunden pro Monat werden gestrichen. Ohnehin arbeiten die Beamten regulär wegen der Dienstpläne bereits bis zu 41,5 Wochenstunden statt der üblichen 40.

„Genau genommen bräuchten wir einen Personalpuffer, um auf globale Sachen wie einen Krieg mitten in Europa oder die Lage in Nahost reagieren zu können“, sagte GdP-Landeschef Weh. „Da wir uns aber Nachwuchskräfte nicht backen können, brauchen wir endlich eine ernsthafte Debatte über Kernaufgaben der Polizei.“

Zudem müsse eingestanden werden, „dass wir nie wirklich zum Abbau kommen und deshalb den Kollegen generell die Möglichkeit geben, sich Überstunden auszahlen zu lassen“. Weh fordert zudem, die Bagatellgrenze zu streichen. „Wir reden über geleistete Arbeit“, sagte er.

Auch bei der Feuerwehr, wo die Krise im Rettungsdienst weiter anhält, tickt die Überstundenuhr weiter. Ende 2023 waren es knapp 165.000 Überstunden, die nicht abgebaut wurden. In diesem Jahr waren es bis Ende August schon 160.000.

Die Überstunden sind auch finanziell ein Problem. Weil die Lage beim Rettungsdienst angespannt ist, konnten Mitarbeiter im Einsatzdienst in den vergangenen beiden Jahren Mehrarbeit gar nicht mehr abbummeln, Überstunden mussten ausbezahlt werden. 2021 waren es noch 35.600 bezahlte Überstunden, 2023 schon knapp 43.000.

Die Kosten sind um 45 Prozent gestiegen – von 792.000 Euro im Jahr 2021 auf 1,15 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Bei der Polizei fielen Kosten von 4,9 Millionen Euro an, um Überstunden auszubezahlen. 2021 und 2022 waren es 5,7 und 5,3 Millionen Euro.

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