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Menschenandrang bei der Straßenumbenennung im Afrikanischen Viertel. Die „Lüderitzstraße“ wurde in „Cornelius-Fredericks-Straße“ umbenannt. Während des Aufstands der Nama in Namibia war Fredericks einer der indigenen Führer, die aktiv einen Guerillakrieg gegen die Deutschen Kolonialisten führten.

© dpa/Britta Pedersen

„Gebt uns Lüderitz Str. & Nachtigal zurück“: Unbekannte randalieren in Berliner Bezirksamt – offenbar aus Protest gegen Straßenumbenennung

Sie waren wohl unzufrieden, dass eine Straße und ein Platz in Wedding ab sofort neue Namen tragen. Unbekannte Täter haben das Bezirksamt Mitte demoliert.

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Im Zusammenhang mit der Umbenennung eines Platzes und einer Straße in Berlin-Wedding haben Unbekannte am Freitagnachmittag im Bezirksamt Mitte randaliert. Die Beschädigungen seien gegen 13.30 Uhr zur Anzeige gebracht worden, teilte eine Polizeisprecherin dem Tagesspiegel auf Anfrage mit. Zuerst hatte die „Berliner Zeitung“ berichtet.

Die Randalierer hatten den Angaben zufolge in dem Gebäude an der Karl-Marx-Allee eine öffentlich zugängliche Toilette mit Hygieneartikeln und einer Europafahne verstopft. Diese sollen sie zuvor aus dem Sitzungssaal der Bezirksverordnetenversammlung entwendet haben. An eine geflieste Wand hatten sie geschrieben: „Gebt uns Lüderitz Str. & Nachtigal zurück.“ Laut der Polizei ermittelt in der Sache nun der Staatsschutz.

Am Freitag waren im sogenannten Afrikanischen Viertel der Nachtigalplatz und die Lüderitzstraße umbenannt worden – nach jahrelangen Auseinandersetzungen und Vorbereitungen. Sie heißen nun Manga-Bell-Platz und Cornelius-Fredericks-Straße.

Freiheitskämpfer statt Kolonialherren

Der zuständige Bezirk Mitte hatte bereits 2016 beschlossen, dass mit den neuen Straßennamen Menschen geehrt werden sollen, die für den Widerstand gegen den Kolonialismus gekämpft haben und nicht mehr die Täter eines Kolonialregimes. Unter Vertreterinnen und Vertretern aus Kamerun und Namibia war mit König Jean-Yves Eboumbou Douala Bell auch die Spitze des Königshauses von Duala in Kamerun zur Zeremonie mit der Bezirksbürgermeisterin von Mitte, Stefanie Remlinger (Grüne), gekommen.

Der Platz ist nach Rudolf und Emily Duala Manga Bell benannt. Von 1908 an setzten sich der König von Duala und seine Frau gegen Vertreibung und Entrechtung in der damaligen deutschen Kolonie Kamerun ein. 1914 wurde Duala Manga wegen angeblichen Hochverrats von der deutschen Kolonialverwaltung zum Tode verurteilt und am nächsten Tag erhängt. Am selben Tag töteten die Deutschen auch mehrere Führer anderer Volksgruppen im ganzen Land. Sie alle werden heute als Märtyrer und Volkshelden verehrt.

Bisher war der Platz nach dem einstigen Reichskommissar für Deutsch-Westafrika, Gustav Nachtigal, benannt. An dem Ort erinnert auch die zweiteilige Bronze „Statue of Limitations“ des Künstlers Kang Sunkoo an die Kolonialgeschichte Deutschlands. Der obere Teil der Bronzearbeit, die zusammen auf 22 Metern Höhe der Form einer Flagge auf halbmast entspricht, steht auf dem Platz. Der untere Teil befindet sich in der Treppenhalle des Humboldt-Forums, das auch wegen seiner Präsentation zahlreicher Kunstwerke aus der Kolonialzeit umstritten ist. Der Titel ist angelehnt an den englischen Begriff „Statute of Limitations“, also Verjährung.

Die Cornelius-Fredericks-Straße erinnert an Fredericks als wichtige Figur des militärischen Widerstandes gegen die deutsche Kolonialherrschaft in Namibia. Während des Genozids der Deutschen an den Ovaherero und Nama von 1904 bis 1908 wurde Fredericks in ein Lager gesperrt und starb dort 1907 aufgrund unmenschlicher Lebensbedingungen. Der bisherige Namensgeber, der Bremer Tabakhändler Adolf Lüderitz, hatte die Nama-Gruppe von Fredericks um einen Großteil ihres Landes betrogen. (mit dpa)

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