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Berlin: Gedrückte Stimmung am Canisius-Kolleg

Pater Klaus Mertes wechselt nach Sankt Blasien Eltern und Schüler bedauern den Abgang

Vor einem Jahr rückten schon einmal die Kamerateams auf dem Schulhof an. Ende Januar 2010 hatte Pater Klaus Mertes die Öffentlichkeit darüber informiert, dass in den 70er und 80er Jahren Schüler am Canisius-Kolleg von Jesuitenpatres sexuell missbraucht worden waren. Mertes hat damit einen der größten Skandale für die katholische Kirche ausgelöst.

Am gestrigen Mittwoch kamen erneut Reporter ins Gymnasium an der Tiergartenstraße. Mittags hatte Pater Mertes Lehrern und Schülern mitgeteilt, dass er zum 1. September das Canisius-Kolleg verlassen wird und neuer Rektor an der Jesuitenschule in Sankt Blasien im Schwarzwald wird. Sein Nachfolger wird der 43-jährige Tobias Zimmermann, der jetzt Schulseelsorger am Canisius-Kolleg ist.

Am Mittwoch war die Stimmung gedrückt. „Pater Mertes war immer sehr offen“, sagte ein Zehntklässler am Mittwochnachmittag, es sei ein großer Verlust für die Schule, dass er weggehe. Er sei zwar streng, aber eine beeindruckende Persönlichkeit, er sei Mertes dankbar, sagte ein Zwölftklässler. Andere Schüler befürchten einen Imageverlust für die Schule, wenn Mertes nicht mehr da ist. Er hatte das Canisius-Kolleg zu einer der begehrtesten Berliner Schulen gemacht. Er müsse jetzt viele Eltern trösten, die traurig seien über seinen Weggang, sagte Mertes. Für viele Eltern ist Mertes und sein Aufklärungswille, den er in den vergangenen zwölf Monaten bewiesen hat, der Garant dafür, dass am heutigen Canisius-Kolleg sexueller Missbrauch nicht unbemerkt bleiben würde.

Einige Eltern und Schüler wussten seit einem halben Jahr, dass Mertes Berlin verlassen werde. Seit 17 Jahren ist der 56-Jährige Lehrer am Canisius-Kolleg, seit mehr als zehn Jahren ist er der Rektor. Eigentlich hätte er das Gymnasium in der Tiergartenstraße bereits vergangenen Sommer verlassen und turnusgemäß nach zehn Jahren eine andere Aufgabe im Jesuitenorden übernehmen sollen. Wegen der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle ist er länger geblieben.

Nun hängt aber auch sein Weggang indirekt mit dem Missbrauchsskandal zusammen. Nicht mit den Berliner Fällen, sondern mit denen am Bonner Aloisiuskolleg, einer anderen Jesuitenschule. Die Aufarbeitung der Vergehen ist dort längst nicht abgeschlossen, am Aloisius-Kolleg in Bonn sind weit mehr Fälle bekannt geworden als in Berlin, die Vorwürfe reichen bis in die Gegenwart. Im Februar 2010 hatte deshalb der damalige Rektor des Aloisius-Kollegs sein Amt niedergelegt. Die Situation dort sei „dramatisch“, sagte Mertes.

Deshalb habe der Orden einen neuen Rektor gesucht, der Erfahrung mitbringe. Der 49-jährige Jesuit Johannes Siebner, der jetzt Sankt Blasien leitet und Mertes vom Canisius-Kolleg waren im Gespräch.

Da Mertes selbst Schüler am Aloisiuskolleg war und jetzt seine Nichten und Neffen dort lernen, hat sich der Orden für Siebner als neuen Leiter in Bonn entschieden. Siebner wird bereits im Juli nach Bonn wechseln. Mertes geht im September nach Sankt Blasien.

Ihm werde der Abschied von Berlin sehr schwer fallen, sagte Mertes. „Aber wir Jesuiten leben nicht in Klöstern, sondern in Zelten. Und so werde ich nun in den Schwarzwald weiterziehen und abwarten, was dort auf mich zukommt.“

Claudia Keller/Marie Dewitz

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