zum Hauptinhalt
Franziska Becker ist seit 2011 direkt gewähltes Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin für Wilmersdorf und gehört der SPD-Fraktion an.

© Promo

Verkehrssicherheit in Berlin: Gegenseitige Rücksichtnahme ist unverzichtbar

Nach unserem offenen Brief an den ADAC und dessen Replik läuft die Debatte über Verkehrssicherheit für Kinder weiter. Franziska Becker, SPD-Politikerin und Mitglied im Abgeordnetenhaus in Berlin, antwortet hier.

Liebe Leserinnen und Leser,

die von Herrn Hesselmann und Herrn Voit angeregte Diskussion über den Verkehr auf der Bundesallee kann ich nur begrüßen. Wie an kaum einer anderen Straße in Berlin zeigt sich dort, vor welchen Herausforderungen die Verkehrspolitik der Hauptstadt in den kommenden Jahren stehen wird.

Wie die meisten Berlinerinnen und Berliner nutze ich verschiedene Verkehrsmittel. Ich fahre bei passendem Wetter Fahrrad, besitze ein Auto und bin genauso in Bus, S- und U-Bahn anzutreffen. Am liebsten gehe ich zu Fuß. Diese Vielfalt an Möglichkeiten ist etwas, die ich als gebürtige Berlinerin sehr zu schätzen weiß. Ich halte auch nichts davon, einzelne Verkehrsmittel gegeneinander auszuspielen.

Gleichwohl gibt es überall Optimierungsbedarf.

Die Bundesallee ist eine zentrale Einfahrtsstraße, auf der Tausende von Berlinerinnen und Berlinern und Pendelnde aus dem Umland zu ihrem Arbeitsplatz, zum Einkaufen oder anderen Aktivitäten fahren.

Die Kreuzung Trautenaustraße und Bundesallee empfinde ich deshalb als besonders heikel, weil sich ein Rückstau bildet und sich so Autos auf der Kreuzung sammeln. Für Kinder und ebenso für weniger mobile Erwachsene entsteht eine gefährliche Situation: sie müssen sich durch Autofahrende schlängeln, die ungeduldig warten, um endlich losfahren zu dürfen. Die Fußgängerampeln sind so geschaltet, dass die Bundesallee bei zügigem Tempo in einem Rutsch überquert werden kann. Geht man langsamer, muss man auf der Verkehrsinsel warten, was sicherlich nicht nur bei mir Unbehagen auslöst. Als Fußgänger noch schnell bei fast-Rot über die Ampel zu hasten, ist deshalb nur allzu menschlich. Doch daraus resultiert ein Teil des Problems.

Rücksichtnahme ist unverzichtbar

Der Berliner Verkehr kann nur funktionieren, wenn alle Verkehrsteilnehmenden aufeinander Rücksicht nehmen und sich an die Regeln halten. Logisch, jeder Autofahrer hat schon mal in der zweiten Reihe gehalten oder geparkt. Eine rote Ampel zu „übersehen“, dürfte vielen bekannt vorkommen und Straßen an Stellen zu überqueren, an denen man es nicht darf, kommt immer wieder vor.   

Über 50.000 Leuchtwesten für Kinder wurden vom ADAC kostenlos verteilt.
Über 50.000 Leuchtwesten für Kinder wurden vom ADAC kostenlos verteilt.

© dpa

Die von vielen mittlerweile kritisch gesehenen Fahrradfahrenden ohne Licht und mit einer eigenwilligen Interpretation der Verkehrsregeln gibt es genauso wie rasende Auto- und ignorante Lkw-Fahrer. Bei allem Verständnis, zu tolerieren ist das nicht. Aus diesem verkehrswidrigem Verhalten des einzelnen resultiert eine Vielzahl der Unfälle im Berliner Verkehr und ist damit ein gesellschaftliches Problem.

Vorfahrt für Kinder

Was ist also zu tun? Konkret gilt es aus meiner Sicht die Schwächsten zu schützen, sie aber auch fit zu machen für den Verkehr in einer Großstadt wie Berlin. Ich bin selbst Mutter einer schulpflichtigen Tochter und weiß, dass die Schwächsten nun einmal die Kinder sind. Warnwesten des ADAC finde ich toll, genauso, dass sich Fahrradhelme bei Kindern durchgesetzt haben und nicht mehr als „uncool“ gelten.

Trotzdem sind Kitas und Schulen gefordert - gerade in einem familienfreundlichen Bezirk wie Charlottenburg-Wilmersdorf, der als solcher immer attraktiver für Familien wird.

Eine ausgeprägte Verkehrserziehung, Verkehrssicherheitstage mit Experten von Polizei und ADAC, etwa in unseren Verkehrsschulen sowie Schülerlotsen halte ich für absolut notwendig, um Kinder zu selbst- und verantwortungsbewussten Verkehrsteilnehmenden zu machen und um Eltern wie Frau Paus und mir ein gutes Gefühl zu vermitteln. Elterninitiativen, die verabreden, dass ihre mit Warnwesten ausgestatteten Kinder morgens in Gruppen zur Schule dackeln, finde ich vorbildlich.

Auch in einer Großstadt wie Berlin muss es möglich sein, dass Kinder ab einem gewissen Alter selbständig und alleine zur Schule gehen. Dazu müssen sie wissen, wie sie sich zu verhalten haben. Dass die Politik ihre verkehrspolitischen Hausaufgaben machen muss, steht außer Frage. Hier gilt die Devise: Was die Kinder schützt, nützt auch allen anderen.

Berlin braucht einen funktionierenden ÖPNV

Die Diskussion lässt sich unendlich fortführen. Wir wollen heute mobiler sein als jemals zuvor. Aus klimatechnischen Gründen und in einer älter werdenden Gesellschaft muss es aus meiner Sicht zu einer stärkeren Verlagerung des Individualverkehrs auf den öffentlichen Nahverkehr kommen. Es gilt, über den Berliner Tellerrand hinauszublicken und sich Anregungen zu holen, wie etwa Mega-Städten wie Tokio, Singapur oder London ihren Verkehr organisieren. Neben der Politik sind die Berliner Verkehrsbetriebe genauso wie die Deutsche Bahn als künftiger S-Bahn-Betreiber gefragt. Wer ständig auf seine Bahn oder den Bus warten muss, wird diese nicht nutzen. Aus und fertig.

Ich komme zum Schluss und appelliere an die LeserInnen. Immer wieder wird auf uns PolitikerInnen als „die da oben“ und von der Entfremdung der Politik von den BürgerInnen gesprochen. Ich höre das nicht gerne, weil lokale Politik anders funktionieren sollte. Es ist mir wichtig, das ich erfahre, was läuft. Nicht zuletzt als Wilmersdorfer Abgeordnete würde ich mich freuen, wenn die Bürgerinnen und Bürger sich stärker bei verkehrspolitischen oder anderen Themen einbringen. Ich lade Sie ein, mich zu informieren, wenn sie gefährliche Stellen im Verkehr wahrnehmen oder sie etwas stört. Meist haben andere ähnliche Probleme. Lassen Sie uns das gemeinsam angehen.

In diesem Sinne,

Ihre Franziska Becker

Franziska Becker ist seit 2011 direkt gewähltes Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin für Wilmersdorf und gehört der SPD-Fraktion an. Sie ist Mitglied im Hauptausschuss und Beauftragte für Berufliche Bildung. Mehr: www.becker2011.de.

Markus Hesselmanns offenen Brief an den ADAC, "Warnwesten verteilen reicht nicht", lesen Sie hier, die Replik des ADAC-Landesvorsitzenden Manfred Voit, "2179 Kinder kamen zu schaden, 2179 zu viel!", lesen Sie hier. Zwischenzeitlich gab es auch eine Antwort der Grünen Bundestagsabgeordneten Lisa Paus, die Sie hier lesen können.

Wohnen Sie im Bayerischen Viertel oder interessieren Sie sich für diesen besonderen Berliner Kiez? Unseren Kiezblog zum Bayerischen Viertel finden Sie hier. Themenanregungen und Kritik gern im Kommentarbereich etwas weiter unten auf dieser Seite (leider derzeit noch nicht auf unserer mobilen Seite) oder per Email an: bayerischesviertel@tagesspiegel.de. Zum Twitterfeed über das Bayerische Viertel geht es hier. Twittern Sie mit unter dem Hashtag #BayerischesViertel

Franziska Becker

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false