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Die Einführung von Tempo-30-Zonen, wie ab Montag auch auf der Leipziger Straße in Mitte, ist politisch umstritten.

©  Kitty Kleist-Heinrich

Umweltschutz in Berlin: "Generelles Tempo 30 ist der falsche Weg"

Für einen Energiewandel in Berlin sind intelligente Lösungen und Kooperation gefragt. Ein Gastbeitrag von Florian Graf, CDU-Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus.

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Die CDU Berlin hat sich zum Pariser Klima-Gipfel 2012 für Berlin als „Hauptstadt der Nachhaltigkeit“ starkgemacht. Sie will das „klimaneutrale Berlin 2050“ durch eine offensive Innovationsstrategie erreichen und dabei die ganze Stadt mitnehmen – mit viel Raum für partnerschaftliche Zusammenarbeit und Eigeninitiative.

Vermeintliche Allheilmittel gehören auf den Prüfstand. Viele Fachleute warnen nicht zu Unrecht, dass ein generelles Tempo 30 der falsche Weg sei, um Abgase zu senken. Wir verlangsamen so die Durchschnittsgeschwindigkeit, ohne Grüne Welle drohen zusätzlich Staus und damit eine höhere statt niedrigere Luftverschmutzung.

Gerade bei Tempo 30 wechseln gebräuchliche Verbrennungsmotoren in einen höheren Emissionsmodus. Nein, wir müssen vorwärts denken: Ein Verkehr, der durch intelligente Ampelschaltungen auch mit 40, 50 oder vielleicht sogar 60 Stundenkilometern im nächst höheren Gang so emissionsarm wie nur möglich fließt.

Der Verkehr muss weiterhin fließen

Berlin ist ohne Kraftverkehr nicht denkbar. Viele Menschen sind darauf angewiesen, der Wirtschaftsverkehr ist die Lebensader unserer Stadt. Dennoch müssen wir neu denken. Denn der Verkehr ist leider einer der Hauptverursacher umweltschädlicher Emissionen.

Die CDU fordert, dass Mobilitäts- und Energiewende übergreifend angegangen werden.

Die Herausforderung ist riesig: Hochgerechnet müssen in Berlin in nur 32 Jahren ca. 20 Millionen Tonnen CO2-Emissionen durch alternative Energien, mehr Effizienz und Einsparungen erzielt werden. Das sind weit über 600 000 Tonnen pro Jahr!

Dafür muss Berlin mehr tun. Die CDU sieht mit Sorge, dass der rot-rot-grüne Senat die Energiewende zwar lautstark verkündet, aber – fast schon vergleichbar mit der BER-Malaise – höchst unprofessionell handhabt. Statt selbst mutig voranzugehen, wird diese Herkules-Aufgabe mehr oder weniger auf den schmalen Schultern der gerade gegründeten Berliner Stadtwerke abgeladen.

Florian Graf, 44, sitzt seit 2006 für die CDU im Abgeordnetenhaus. Seit 2011 ist der Diplom-Verwaltungswirt Vorsitzender seiner Fraktion.

© Britta Pedersen/dpa

Selbst kaum größer als ein mittlerer Handwerksbetrieb, sollen sie als David im Wettbewerb mit Hunderten Goliaths von privatwirtschaftlichen Anbietern und unter unzähligen Auflagen die Kärrnerarbeit der Berliner Energiewende leisten. Das kann nicht gutgehen und ist die falsche Herangehensweise.

Es ist eine stadtweite Herausforderung, die eine dynamische, auf viele Mitstreiter setzende Kooperation voraussetzt. Dazu gehören auch innovative Ideen wie zum Beispiel eine Energiewende-Datenbank als Rückgrat. Diese muss die Berliner Klimaschutzziele und -potenziale für alle transparent machen und in allen Themengebieten einen jährlichen Soll-Ist-Vergleich bieten.

Reduziert Tempo 30 wirklich die Emissionen?

Nur so können die Berliner die Fort- und vielleicht auch Rückschritte der Energiewende nachvollziehen. So wären zum Beispiel fortlaufend aktuelle Abgas-Informationen über Fahrzeugmotoren oder Heizungsanlagen von Vorteil. Somit könnte jeder selbst mit seinen Kauf- und Handlungsentscheidungen die Zukunft unserer Stadt klimapolitisch wirksam mitgestalten. Die CDU erwartet vom Senat, dass ein solches handlungsorientiertes Berliner Energiewende-Infosystem bis Ende 2019 installiert wird.

Dann wird es leichter sein, festzustellen, ob Berlin jährlich wirklich 600.000 Tonnen CO2 im Durchschnitt einspart oder nicht; ob Tempo 30 wirklich die Emissionen reduziert oder nicht; ob die Fahrrad-Initiative des Senats wirklich ein CO2-Erfolg ist oder nicht.

Beispiel Heizungen: Für die Hunderttausende von Wärmepumpen sollte der Strom aus erneuerbaren Energien kommen. Dafür könnten wir mobile Speicher wie die von E-Kraftfahrzeugen doppelt nutzen (dual use). Einerseits zum Fahren, andererseits als Energielieferanten, wenn sie gerade nicht gebraucht werden und sie in kombinierten Lade- und Speichersystemen mit Strom aus erneuerbaren Energien wiederaufgeladen werden.

Die Energiespeicher von 1000 E-Bussen hätten zusammen, also parallelgeschaltet, eine Leistung von 200 Megawatt, die dann anders genutzt werden könnten (smart grid). So wird insbesondere die primäre Regelleistung stabil gehalten, und die Verteilnetze werden durch gesteuertes Laden entlastet. Das spart Ressourcen und bringt Zusatznutzen für die Betreiber und die Kunden. Warum probiert zum Beispiel die BVG nicht solche längst bekannten Wechsel- und Ladesysteme?

Größere Zusammenhänge

Die Lösung ist übrigens nicht das Schnellladen, wie Untersuchungen bei Renault gezeigt haben. Denn das verschleißt die gängigen teuren Batterien und macht den E-Flottenbetrieb dadurch unwirtschaftlich. Der Batterie-Mehrbedarf bei Lade- und Speichersystemen ist dagegen laut Expertenansicht wirtschaftlich unbedenklich, denn sie schonen die Fahrzeugbatterien so sehr, dass sich ihre Anschaffung rechnet.

Ob E-Busse, E-Lastkraftwagen oder E-Taxis: am besten fährt Berlin, wenn es in größeren Zusammenhängen denkt, wenn es Stromwende, Wärmewende, Digitalisierung und moderne Mobilität als Synergie-Aufgabe versteht.

Nur so kann es gelingen, die Herausforderung des Klimawandels nachhaltig zu bestehen, ökologisch, sozial und ökonomisch. Nur so ist diese Herkulesaufgabe finanziell und fristgemäß zu bewältigen. Nur so werden wir eine Energiewende bekommen, die ihren Namen verdient.

Florian Graf

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