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Adel berichtet (45): Gerda Schrippe, Grillwalkerin

Jedes Wochenende erzählt Stefan Stuckmann, wie unser Redaktionspraktikant Cedric zu Guttenberg die Stadt erlebt. Heute: Doppelte Schlamperei in der Berliner Bäckerei.

Mit einem Schrei lasse ich die Espressotasse fallen, als ich am Mittwochmorgen sehe, wie mein Jungdackel Taxi vom Brötchenholen zurückkommt: Völlig aufgewühlt, die Papiertüte zerrissen und mit drei zerfetzten Latzhosen und einem großen Stück Bart im Mund. Wie es aussieht, ist er auf dem Heimweg von gentrifizierungskritischen Berlinern überfallen worden, weil er statt traditioneller Schrippen lieber zwei Panini Caprese und eine Zimtschnecke Klassik bestellt hat. Mit hochrotem Kopf greife ich mir die Skimaske und ziehe den Karton mit der Böllerreserve hervor, als Taxi seine Pfote auf meine Schulter legt. Und recht hat er: Denn nur weil wir die Methoden der Schrippen-Al-Qaida ablehnen, heißt das ja nicht, dass wir nicht die gleichen Werte teilen.

Für mich als Journalisten ist ein sauberes Sprachbild ja definitiv ein must-have, und auch deutschtechnisch bin ich eher der penible Typ. Wenn Wolfgang Thierse jetzt einen traditionsbewussteren Umgang in der Bezeichnung mehlbasierter Convenienceprodukte fordert, stehen Taxi und ich deshalb ganz vorne am Backblech. Letztlich sehe ich mich da auch als Opfer: Wie oft wurde ich ausgelacht, nur weil ich bei Starbucks einen Grande Caramel Muckefuck bestellt habe!

Das Hauptproblem, da sind Taxi und ich uns einig, ist vor allem das fehlende Wissen um die historischen Zusammenhänge hinter den jeweiligen Begriffen. Ehrensache, dass wir da Aufklärungsarbeit leisten! Also: Die Erfinderin der Schrippe war Gerda Schrippe, eine frühe Grillwalkerin, deren Hausrind im Jahre 1871 auf dem Weg zum Schlachthof in der Tür einer BVG-Kutsche eingeklemmt wurde. Um die Bulettenversorgung aufrechtzuerhalten, besorgte sie sich in einem nahen Schlecker, die gab es ja damals noch, eine Tüte Mehl und erfand die vegetarische Brot-Bulette, die später von Regress fordernden Kunden nach ihr benannt wurde. Der Wecken dagegen heißt Wecken, weil hart gewordene Wecken vom Vortag, gezielt geworfen, in armen Regionen zum Aufwecken des Ehemanns benutzt wurden. Zwei Brötchen, die im Ofen aneinandergebacken sind, nennt man in Berlin übrigens Doppelte, in Stuttgart dagegen Schlamperei.

Sie sehen: Wortwurzeltechnisch kenne ich mich aus. Um einer weiteren Information Rechnung zu tragen, die mir der Volontär hat zukommen lassen, werde ich Ihnen hier ab heute auch keine Kolumne mehr bieten, sondern eine Textflöte. Neue Visitenkarten druckt Taxi gerade aus: Cedric zu Guttenberg – Textflötist.

Hochachtungsvoll,

Ihr

Stefan Stuckmann

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