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Dieses Foto veröffentlichte die Polizei nach einer Kontrolle in der Großbäckerei Höhn. Zu selten erfährt die Öffentlichkeit davon.

© Polizei Berlin

Gericht entscheidet gegen Supermarktkette: Berliner dürfen Online nach Sauberkeit von Lebensmittelbetrieben fragen

"Real" verliert vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Künftig dürfen Verbraucher Ergebnisse von Hygienekontrollen digital abfragen.

Berliner und Brandenburger Verbraucher dürfen Online erfragen, wie gut die Hygiene in der örtlichen Bäckerei, dem Kiezmarkt oder im Lieblingsrestaurant ist. Dem Tagesspiegel-Newsletter "Checkpoint" liegt exklusiv ein entsprechender Gerichtsbeschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vor. Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

In diesem Fall hatte die Supermarktkette „Real“ dagegen geklagt, dass behördliche Kontrollergebnisse auf Anfrage eines Bürgers öffentlich gemacht werden. Ein Berliner Verbraucher wollte über das Portal „Topf Secret“ des gemeinnützigen Vereins Foodwatch herausfinden, wie es um die Sauberkeit im Markt bestellt ist.

Die Richter entschieden, dass solche Anfragen rechtmäßig sind und die Behörden Kontrollergebnisse "ungefiltert" zur Verfügung stellen müssen. In diesem Fall wollte die Behörde die Ergebnisse selbst zwar herausgeben, "Real" wehrte sich jedoch gerichtlich dagegen - und scheiterte nun. Zuvor hatten Gerichte schon in Bayern, Niedersachen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen ähnlich entschieden.

Der Beschluss sendet nun auch ein Signal an die Berliner Verwaltung: Die meisten der zwölf Bezirke wollten bislang keine Kontrollergebnisse veröffentlichen. Erst auf den Druck von Foodwatch geben Mitte und Neukölln nun Berichte raus, Charlottenburg-Wilmersdorf will folgen.

Für die Bezirke bedeuten diese Anfragen einen kräftigen Mehraufwand. Seit das Portal "Topfsecret" Anfang des vergangenen Jahres startete, gingen allein in Berlin 4000 Abfragen ein, deutschlandweit waren es fast 50.000 Anträge.

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„Die Menschen haben ein Recht darauf zu erfahren, wie es um die Hygiene beim Bäcker nebenan oder im Supermarkt bestellt ist“, sagte Rauna Bindewald, Campaignerin bei Foodwatch dem Tagesspiegel. „Die Zeit der Ausreden ist vorbei. Die Berliner Behörden müssen jetzt endlich ihre Blockadehaltung aufgeben."

Berlin gilt insgesamt als eher rückständig, was die Ausführung und Transparenz von Hygienekontrollen angeht. Trotz der Pflicht bei schweren Sauberkeitsverstößen "unverzüglich" die Öffentlichkeit zu informieren, veröffentlichen viele Behörden solche Informationen nicht im Internet, sondern etwa im Erdgeschoss des Ordnungsamtes oder irgendwo im Rathaus.

Zuletzt hatte die Neuköllner Großbäckerei Höhn für Entsetzen gesorgt

Zuletzt hatte der Fall der Neuköllner Großbäckerei Höhn für Entsetzen gesorgt. Die schlimmen hygienischen Zustände dort waren der bezirklichen Lebensmittelaufsicht seit Jahren bekannt - die Öffentlichkeit wurde kaum darüber informiert. Erst im März 2020 wurde der Betrieb geschlossen: wegen Schädlingen, baulichen Mängeln und Verstößen gegen den Gesundheitsschutz.

Eines der Hauptprobleme ist die schlechte Personalausstattung der bezirklichen Lebensmittelaufsichtsbehörden, viele Stellen sind unbesetzt. Zahlen der Senatsverwaltung für Verbraucherschutz belegen, dass 2018 nur ein Drittel der knapp 55.000 Lebensmittelbetriebe kontrolliert wurde. Bei mehr als 5000 Betrieben, also bei rund 27 Prozent aller Überprüfungen, stellten die Lebensmittelkontrolleure Verstöße fest. 

Diese Nachricht erschien zuerst exklusiv im Checkpoint-Newsletter. Lesen Sie jeden Morgen, was der Tag bringt in Berlins beliebtestem Newsletter von Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt und seinem Team. Hier abonnieren: checkpoint.tagesspiegel.de

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