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Immer wieder dasselbe Thema: Im Winter fallen viele Züge aus und es gibt nicht genügend Ersatzfahrzeuge - ergo Verspätungen und Zugausfälle.

© dpa

S-Bahn: Gericht verschärft Misere

Jeden Winter dasselbe Ärgernis: Verspätungen und Zugausfälle wegen Fahrzeugmangels. Doch die Bestellung neuer Wagen wird nun noch länger dauern - aufgrund einer juristischen Auseinandersetzung.

Die S-Bahn-Fahrgäste sind und bleiben leidgeplagt: Auch am Donnerstag fielen wieder Züge aus, weit mehr sogar als an den Vortagen. Selbst auf der Ringbahn kamen die Züge auch in der Hauptverkehrszeit statt alle fünf nur alle zehn Minuten. Der Grund ist Fahrzeugmangel, wegen des Wetters müssen wieder mehr defekte Züge in die Werkstatt als bisher. Und der Mangel kann noch jahrelang andauern, weil sich der Abschluss eines neuen Verkehrsvertrags erneut verzögert. Erst mit einem unterschriebenen Vertrag könne ein Betreiber aber neue Züge bestellen, machte S-Bahn-Chef Peter Buchner gestern erneut klar. Damit ist kein Ende der Fahrzeugmisere in Sicht.

Verschärft hat sich jetzt die Lage durch ein Gerichtsverfahren. Das Kammergericht hat am Donnerstag die 2012 mit mehreren Jahren Verspätung auf den Weg gebrachte Ausschreibung für den Betrieb der Ringbahn und deren südöstliche Zulaufstrecken gebremst. Entweder die Senatsverkehrsverwaltung zieht ihre Ausschreibung zurück und ändert in einem neuen Verfahren die Bedingungen – oder eine Klage der S-Bahn wird an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weitergegeben, machte das Gericht deutlich. Ein Urteil soll in vier Wochen fallen. Verfahren beim EuGH können Jahre dauern. Vorerst gibt es nicht einmal eine Bestellung für neue Fahrzeuge, weil der Vertrag mit dem künftigen Betreiber erst unterschrieben werden darf, wenn die juristischen Fragen endgültig geklärt sind.

Die S-Bahn hatte gegen eine bisher einmalige Bedingung geklagt, die der Senat dem künftigen Betreiber auferlegen will, der den Auftrag ab Dezember 2017 für 15 Jahre gewinnt: Er soll bei der darauffolgenden Ausschreibung seine Fahrzeuge für einen möglicherweise anderen Betreiber weitere 15 Jahre instandhalten und sie erst nach drei weiteren Jahren abgeben können. Das Gericht bezweifelte, ob eine Bindung über insgesamt 33 Jahre nach dem EU-Recht zulässig sei; üblich seien Vertragslaufzeiten von maximal 22,5 Jahren.

Die Verkehrsverwaltung will erreichen, dass der Gewinner der Ausschreibung die Fahrzeuge über die gesamten 15 Jahre so gut pflegt, dass auch die Wartung danach nicht zur Kostenfalle wird. Die Idee kam nach Tagesspiegel-Informationen von externen Beratern, die die Verkehrsverwaltung unter der Leitung von Senator Michael Müller (SPD) engagiert hat. Bisher war der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) für Ausschreibungen zuständig – allerdings nur für den Regionalverkehr.

Nach dem bisherigen Zeitplan sollte der künftige Betreiber der Ringbahn im nächsten Jahr ausgesucht werden. Auch dieser Termin liegt schon zu spät, um die benötigten knapp 200 Doppelwagen noch pünktlich zu beschaffen. Das Entwickeln, Bauen und Erproben neuer Züge dauert mindestens fünf Jahre. Nach den aktuellen Senatsplänen sollte sich die Auslieferung deshalb schon jetzt bis mindestens 2020 hinziehen. Nun kann es noch länger dauern.

Um das Verfahren zu beschleunigen, schlug das Gericht der Senatsverkehrsverwaltung vor, in der Ausschreibung einen sicheren Weg zu gehen, der weniger anfällig für Rügen ist als das jetzige Verfahren, das die juristischen Grenzen völlig ausreize. Bei einem hohen Streitwert von mindestens 30 Millionen Euro könnten weitere Klagen für das Land kostspielig werden, warnte das Gericht. Der Grünen-Abgeordnete Stefan Gelbhaar forderte den Senat auf, die Züge selbst zu bestellen und sie einem Betreiber dann zu vermieten. Der Verband privater Bahnunternehmen Mofair setzt sich dafür ein, die Fahrzeuge von einem Unternehmen beschaffen zu lassen.

Was Fahrzeugmangel bedeutet, haben die Fahrgäste am Donnerstag erneut zu spüren bekommen. Neben den Zugausfällen kam es auch zu Verspätungen, und manche Züge fuhren mit weniger Wagen als vorgesehen. Nach Angaben des VBB konnte die S-Bahn nur 471 Doppelwagen einsetzen. 546 Doppelwagen würde das Unternehmen benötigen, um das Angebot aufrechtzuerhalten, das es vor der im Sommer 2009 ausgebrochenen Krise der S-Bahn gegeben hat. Für die Leistungen, die der Senat im aktuellen Verkehrsvertrag bestellt hat, sind sogar noch mehr Doppelwagen erforderlich, nämlich 562. Diesen Wert wird die S-Bahn bis zum Auslaufen des Vertrags im Dezember 2017 nie erreichen, heißt es intern im Unternehmen.

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