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Treffpunkt für Nassauer. Die neuen Frischwasserbrunnen der Wasserbetriebe haben nicht mehr den Charme ihrer kaiserlichen Vorgänger. Beliebt und belebend sind sie trotzdem – wie hier am Kurfürstendamm.

© Nantke Garrelts

Frischwasserspender gegen heißes Wetter: Gratis-Drinks auf Berlins Straßen

Sie bieten Abkühlung an heißen Tagen: Frischwasserspender auf den Straßen Berlins. Bisher gibt es nur 19 – nun sollen neue errichtet werden. Gratis für alle und robust gegen Vandalismus.

Es rauscht an der Kreuzung zwischen Pankstraße und Badstraße. Autos zischen vorbei, Fahrräder flitzen zwischen Bordstein und Fahrbahn durch die Autoreihen, Pendler hasten über die Treppen hinunter zum U-Bahnhof Pankstraße. Was in all dem Lärm und Gewusel untergeht, ist das leise Plätschern auf dem Platz an der Kreuzung. Die Sonne funkelt auf der Goldkugel, ein kleiner Bogen klaren Wassers sprudelt aus ihr hervor. Die blauen Platten mit den Wasser- und Erntemotiven glänzen im grellen Sonnenschein, den grauen Beton mit Kaugummimuster im Hintergrund, gegenüber die St.-Pauls-Kirche mit ihren klassizistischen Säulen. Ansonsten herrscht hier Weddinger Rauheit, Callshops und Kebapläden reihen sich aneinander. Schnell läuft man an der kleinen Säule vorbei, die doch gerade an so einem fiebrigen Tag die Temperatur senken kann, zumindest an Gaumen und Kehle. Der Strahl plätschert etwas spärlich, aber nach einer Minute unterm Hahn kann es weitergehen. Eine kurze Erfrischung in der Hitze, kostenlos und überall in der Stadt – das bieten die Berliner Trinkbrunnen.

Mit der App den Brunnen suchen

Schatten wäre nicht schlecht, also schnell die Brunnenstraße runter und etwas Zickzack, da liegt der Volkspark Friedrichshain. Laut Trinkwasser-App soll am westlichen Rand des Parks ein Brunnen liegen. Ein Wasserglassymbol verspricht Erfrischung. Nur – wo ist sie denn? Etwas irritiert um den Spielplatz herumgekreist, an das Symbol herangezoomt. Wo eigentlich ein Weg sein sollte, ist jetzt eine Sandfläche mit Spielgeräten. Nichts zu sehen außer spielenden Kindern und Holzhüttchen. Also durstig wieder abziehen.

Den falschen Standort in der App kann sich Saskia Solar auch nicht erklären. „Es gibt schon einen Brunnen im Volkspark Friedrichshain, aber den mussten wir wegen technischer Schwierigkeiten stilllegen“, erklärt die Sprecherin der Berliner Wasserbetriebe zweieinhalb Kilometer weiter südlich in der Firmenzentrale. Hier steht der nächstgelegene Trinkwasserbrunnen, sowohl in seiner alten Form als „Kaiserbrunnen“ als auch als moderner Wasserspender für drinnen. Insgesamt 19 Trinkwasserbrunnen gibt es in der Stadt. Doch die wenigsten davon sehen aus wie das kaiserliche Modell, das Ende der achtziger Jahre entworfen und aufgestellt wurde. Ersatzteile für den metallenen Innenaufbau sind kaum noch zu bekommen, die erste Generation muss der zweiten weichen. Seit 2009 gibt es den Brunnen der Neuzeit in Berlin.

Der Prototyp dafür steht am Kurfürstendamm, Kreuzung Joachimstaler Straße, kreiert vom Designer Marcus Botsch. Grau und praktisch steht er da, fest einbetoniert und vandalismussicher. Die Touristen sind dankbar dafür, im Minutentakt kommen Menschen und nippen am stetig fließenden Strahl oder füllen sich die Flasche auf. Nur zum Spaß und zur Erfrischung haben die Wasserbetriebe den Brunnen aber nicht aufgestellt: „Wir verfolgen damit eine Vertriebsabsicht“, sagt Solar. Nicht nur in Berlin, sondern überall in Deutschland sollen bald BWB-Brunnen stehen, wie es etwa in Hannover der Fall ist. Bisher habe man ein Monopol auf dem Markt für öffentliche Trinkbrunnen, so Solar. Sie dienen auch als Werbung für deren wichtigstes Produkt: Trinkwasser aus der Leitung. Solar möchte, dass die Berliner mehr Leitungswasser trinken, und nennt Wien als Beispiel, wo mehr als 300 Brunnen die Bürger erfrischen und man mittlerweile im Restaurant auch Apfelschorle mit Leitungs- statt Mineralwasser bestellt. Auch Touristen soll das Berliner Wasser schmackhaft gemacht werden: „Vor allem Touristen, die aus Ländern kommen, wo man das Wasser aus dem Hahn nicht trinken kann, muss erst gezeigt werden, wie gut das Berliner Wasser ist“, findet Solar.

Wasser wie aus der Leitung

Für diese Art der Produktwerbung investieren die Wasserbetriebe in Material, aber auch in Personal: Bevor sich Spaziergänger oder Sportler an den Wasserspendern erfrischen können, müssen die Brunnen jedes Jahr vor Beginn der Saison gewartet werden. Die beginnt etwa Mitte April und geht bis in den Oktober hinein. Im Winter versiegt der Quell, damit die Rohre nicht kaputtfrieren. Im Frühjahr überprüfen dann Mitarbeiter alle Brunnen, nehmen Wasserproben und lassen sie im Labor untersuchen. Ist alles in Ordnung, sprudeln sie wieder, die Trinkwasserbrunnen. Nicht nur in Wedding, Friedrichshain und Charlottenburg, auch in entlegeneren Ecken, wie etwa an der Havel, wurden Brunnen aufgestellt.

Im Prinzip ist so ein Brunnen nichts anderes als eine Wasserleitung. Das entscheidende Kriterium für einen Standort ist, dass eine Wasserleitung in der Nähe liegt. Dabei darf der Abstand zwischen Brunnen und Quelle nicht weiter sein als fünf Meter, sonst wiegt der Nutzen die Kosten nicht mehr auf. „Es muss ein Ort sein, an dem viele Leute vorbeikommen, an dem der Brunnen aber nicht vandalismusgefährdet ist“, sagt Solar. Eine Reinickendorfer Wohnsiedlung wäre also ebenso ungeeignet wie die Warschauer Straße. Auch wenn ein Brunnen dort sicher dem öffentlichen Interesse dienen würde: für den heilenden Schluck, bevor nach durchfeierter Nacht die S-Bahn kommt.

Die Berliner Trinkwasser-App gibt es auf www.trinkwasser-unterwegs.de

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